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Trinkwasser-Verschmutzung Viele Kantone wollen nicht sagen, wo Trinkwasser belastet ist

Bis zu 100'000 Personen trinken verunreinigtes Trinkwasser: Die Abbaustoffe des Pestizids S-Metolachlor werden auf Oktober strenger reguliert.

Im Juni hatte «Kassensturz» enthüllt: Die Abbaustoffe des Pestizids S-Metolachlor belasten das Trinkwasser von bis zu 100'000 Einwohnerinnen und Einwohnern im Mittelland. Die EU hatte das Pestizid, das vor allem im Maisanbau eingesetzt wurde, letzten Dezember als «vermutlich krebserregend» eingestuft und verboten.

S-Metolachlor

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Der Pestizid-Wirkstoff S-Metolachlor ist ein Unkrautvertilger und wird vor allem im Anbau von Mais und anderen Gemüsesorten gebraucht. Zugelassen wurde S-Metolachlor 1998. Laut Bund wurden von 2008 bis 2022 rund 370 Tonnen verkauft. Welche Menge von 1998 bis 2007 verkauft wurde, kann das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) nicht sagen; offenbar wurden damals keine Daten erhoben.

Schon bei der Erstzulassung in der EU 2005 hiess es, dass S-Metolachlor das Grundwasser verschmutzen könnte. Bereits seit 2023 ist Bauern mit Direktzahlungen der Einsatz von S-Metolachlor wegen der Gefahr für Oberflächen- und Grundwasser verboten. Seit dem 1. Oktober 2024 darf S-Metolachlor in der Schweiz nicht mehr verkauft werden, ab 1. Januar 2025 ist die Anwendung gänzlich verboten.

Der Bund reagiert erst zehn Monate später: Auf den 1. Oktober hat er die Abbaustoffe von S-Metolachlor aufgrund der Erkenntnisse der EU als «relevant» eingestuft. Im Trinkwasser gilt neu ein Grenzwert von 0,1 µg (Mikrogramm) pro Liter statt 10 µg pro Liter. Welche Gemeinden aber sind betroffen?

Kantönligeist und Schweigepflicht

Keine einfache Sache, das herauszufinden. Die Daten des Bundesamts für Umwelt (Bafu) helfen nicht viel weiter: Zum Messnetz gehören auch Standorte, die nicht oder nicht mehr zur Gewinnung von Trinkwasser genutzt werden.

Immerhin ist ersichtlich, in welchen Kantonen die Konzentration der Abbaustoffe von S-Metolachlor im Grundwasser zu hoch ist: Zürich, Bern, Aargau, Thurgau, St. Gallen, Luzern, Freiburg und Waadt. Bei der direkten Nachfrage aber zeigt sich ein seltsamer Kantönli-Geist: Nur Zürich, Aargau und Bern schicken die Daten zu den einzelnen Gemeinden.

Die Kantone St. Gallen, Freiburg, Luzern, Thurgau und Waadt wollen die Namen der Gemeinden mit belastetem Trinkwasser nicht preisgeben. Im Lebensmittelgesetz sei eine «Schweigepflicht» enthalten.

Präzisierung vom 7.11.2024: Reaktionen der betroffenen Gemeinden

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    • Eglisau/ZH: Die Gemeinde betont, dass die belastete Trinkwasserquelle seit Oktober 2024 nicht mehr genutzt werde. Damit dürfe die Trinkwasserqualität in ganz Eglisau wieder innerhalb des Grenzwerts liegen.
    • Rafz/ZH: Die Gemeinde betont, dass die belastete Trinkwasserquelle Ende Juli 2024 ausser Betrieb genommen worden sei.
    • Rapperswil/BE: Die Gemeinde betont, dass es sich beim vom Kanton publizierten Wert um eine Fehlmessung handelte.

Der St. Galler Kantonschemiker Pius Kölbener sagt: «Trinkwasserdaten sind amtliche Daten. Wir unterstehen der Schweigepflicht bezüglich amtlicher Daten und haben nicht die Kompetenz, die Daten herauszugeben.» Die Wasserwerke hätten die Pflicht, ihre Kunden einmal im Jahr zu informieren.

Im Lebensmittelgesetz steht aber auch: Die Öffentlichkeit ist zu informieren, wenn ein «hinreichender» Verdacht besteht, dass das Trinkwasser ein Risiko für die Gesundheit bedeuten kann. Zwar besteht keine akute Gesundheitsgefahr. Wie sich das mit S-Metolachlor verschmutzte Trinkwasser aber langfristig im Körper auswirkt, weiss niemand.  

Vorstoss im Parlament

Die St. Galler SP-Nationalrätin Claudia Friedl kritisiert darum die Haltung ihres Kantonschemikers: «Wasser ist ein öffentliches Gut, das wir täglich konsumieren.»

Die Kantone sollten Messdaten publizieren: «Nur so können schweizweite Lösungen gefunden werden.»  Sie will das Thema während der Wintersession ins Parlament tragen.

Es drohen Kosten in Millionenhöhe

Und wie reagieren die Gemeinden mit belastetem Trinkwasser? Im Kanton Bern wurde der Grenzwert in der Gemeinde Roggwil bei der letzten Messung im April 2023 ums Fünffache überschritten. Dieser hohe Wert sei für ihn nicht nachvollziehbar, sagt Oliver Schmidt, Geschäftsführer beim Gemeindeverband WUL.

«Kassensturz» ist an Ihrer Meinung interessiert

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Er will nachmessen und das Vorgehen mit dem Kanton besprechen. Notfalls müsste das Trinkwasser verdünnt werden. Dazu müssten aber Wasserleitungen und ein neues Pumpwerk für 1–2 Millionen Franken gebaut werden. «Wer soll das bezahlen?»

Wer bezahlt?

Wahrscheinlich die Haushalte, mit höheren Trinkwassergebühren. Dasselbe Problem stellt sich bei den Abbaustoffen des Pestizids Chlorothalonil; rund eine Million Haushalte trinkt auch vier Jahre nach dem Verbot noch belastetes Trinkwasser. Wasserversorger schätzen, dass die Aufbereitung mehrere hundert Millionen kosten wird. Die Vorsorge ist gescheitert.

Espresso, 22.10.2024, 8:10 Uhr

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