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Zuchtlachs Das Leiden der Lachse – vom Edelprodukt zur Massenware

Die Massenproduktion von Lachs zeigt dramatische Folgen: Millionen Zuchtlachse sterben noch vor der Schlachtung.

Die Massenproduktion von Lachs zeigt dramatische Folgen: Millionen Zuchtlachse sterben noch vor der Schlachtung.

Ein von Bakterien angefressener Lachs
Legende: Ein von Bakterien angefressener Lachs. salmonmediahub.org

Noch nie sind in den Zuchten so viele Lachse verendet wie 2023. In Norwegen, dem weltweit grössten Zuchtlachsproduzenten, sind 65 Mio. Zuchtlachse noch vor der Schlachtung gestorben. Die Lachse werden teilweise bei lebendigem Leib von Bakterien aufgefressen.

Hohe Mortalität wegen winziger Laus

Ein Grund für die hohe Sterblichkeit sind winzige Läuse. Die Parasiten fressen das Fleisch der Lachse. So werden sie anfällig für Krankheiten. Diese Lachsläuse gibt es auch im offenen Meer.

Junger Lachs von Laus befallen
Legende: Ein junger Lachs, der von Läusen befallen wurde. Dok-Film «Salmon Secrets» von Jérémy Mathieu

Da sich aber in Lachszuchten mehrere hunderttausend Lachse in Netzkäfigen drängen, haben die Parasiten leichtes Spiel, erklärt Yannick Rohrer von der NGO Fair-Fish. Die Folge: Krankheiten und Infektionen breiten sich rasant aus.

Coop und Migros heizen Nachfrage an

Praktisch das ganze Jahr über locken die beiden Grossverteiler mit Aktionen von bis 40–50 % Rabatt. Greenpeace-Meeresbiologin Iris Menn kritisiert, solche Aktionspreise würden die Nachfrage nach Lachs zusätzlich ankurbeln: «3 Millionen Tonnen Zuchtlachs werden pro Jahr weltweit produziert. Das ist eine Massentierhaltung, die nicht nachhaltig ist.»

Auf diesen Vorwurf reagieren die beiden Grossverteiler nur schriftlich. Man reagiere mit den Aktionen auf ein Bedürfnis der Kundschaft. Die alarmierenden Zustände in den Lachszuchten nehme man Ernst und lege grossen Wert auf das Tierwohl.  

Schlimme Zustände auch in ASC-Zuchten

Coop, Migros und andere Detailhändler setzen auf zertifizierten Lachs wie das bekannte Label ASC. Aber gerade ASC sei keine Garantie für gute Tierhaltung, kritisiert Iris Menn von Greenpeace Schweiz . «Zucht in den ASC zertifizierten Aquakulturen ist auch eine Massentierhaltung. Auch in den zertifizierten Farmen gibt es massive Probleme.»

ASC Logo auf Produkt
Legende: Detailhändler setzen auf zertifizierten Lachs, zum Beispiel von ASC (Aquaculture Stewardship Council). SRF

ASC-Standard wird verschärft

Im Interview mit «Kassensturz» nimmt Dennis Wittmann von ASC Stellung zur Kritik von Greenpeace und Tierschutzorganisationen. ASC-Farmen müssten fortlaufend daran arbeiten, dass es den Lachsen in den Zuchten gut gehe: «Viermal im Jahr überprüft ein Veterinärmediziner die Gesundheit der Lachse und monatlich kommt ein Gesundheitsmediziner vorbei.»

In den letzten 48 Monaten wurde über 60 Farmen das ASC-Zertifikat entzogen. Im Mai 2025 lanciert ASC einen neuen Standard, der das Tierwohl höher gewichten will.

Lachszucht in der Schweiz

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Zum Zuchtlachs aus Norwegen, Schottland und Island gibt es eine unproblematischere Schweizer Alternative.

Im Bündnerischen Lostallo werden in einer Indooranlage seit 2018 Lachse gezüchtet. Der grosse Vorteil: keine Seeläuse oder andere Krankheiten und auch keine negativen Auswirkungen auf die Wildbestände.

Innert zwei Jahren wachsen die aus Island eingeflogenen Lachseier auf das Schlachtgewicht von bis zu 4 Kilogramm. «Zum Einsatz kommt Futter, für das keine Ozeane leer gefischt wurden», erklärt Ronald Herculeijns, Mitgründer von Swiss Lachs. Der enthaltene Fischmehlanteil stamme aus Schlachtabfällen von Fische verarbeitenden Betrieben. 70 % der Mastfutters stamme aus pflanzlichen Quellen.

Auch Wildlachse leiden wegen Zuchten

Die aktuelle Misere in den Lachszuchten betrifft auch die wilden Lachse. Bei der Wanderung aus den Flüssen ins offene Meer kommen sie an den Aquakulturen vorbei. Dort besteht Ansteckungsgefahr mit Seeläusen und anderen Krankheiten. Das kann direkt tödlich sein oder die jungen Lachse anfällig machen für Krankheiten.

Stellungnahme der norwegischen Lachsbranche

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Rekordtiefe Wildlachsbestände – rekordhohe Mortalität in den Zuchten. In der Lachsproduktion läuft etwas gehörig aus dem Ruder. «Kassensturz» konfrontiert die international tätigen Norwegischen Lachskonzerne mit den schlimmen Folgen der Zucht.

Vor der Kamera nimmt einzig der Dachverband Stellung, die norwegische Seafood-Federation. Um die Situation zu verbessern, wolle man die Produktion verbessern, sagt Sprecher Henrik Wiedswang Horjen. Dazu gehöre zum Beispiel, dass man die Fische später ins Meer bringe.

So sind die Lachse weniger lang den Seeläusen und anderen Bedrohungen wie Quallen ausgesetzt. «Wir haben auch neue Unterwasserkäfige mit mehr Tiefgang. Dort unten kommt der Fisch nicht mit den Läusen in Berührung», erklärt Henrik Wiedswang Horjen.

Ausserdem soll der Informationsaustausch unter den Zuchtbetrieben optimiert werden.

In Norwegen sind die aktuellen Wildlachs-Bestände auf einem Rekordtief. Nebst dem Klimawandel und den wärmeren Meerestemperaturen hat das vor allem auch mit den Lachszuchten zu tun, sagt Monica Solberg vom norwegischen Institut für Meeresforschung.

Empfehlungen für einen verantwortlichen Fisch-Konsum

Espresso, 17.12.24, 8:10 Uhr

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