Es ist noch nicht lange her, da musste man zum Optiker oder zum Augenarzt, wenn man eine simple Lesebrille wollte. Das ist heute anders. Fertiglesebrillen sind ein günstiges Massenprodukt und werden vielerorts verkauft: Bei Detailhändlern, in Warenhäusern, am Kiosk, in der Apotheke und natürlich in Optikergeschäften.
Beim Optiker sind individuell gefertigte Brillen mit Marken-Gestellen und Gläsern nach Rezept nach wie vor das Hauptgeschäft. «Für den Notfall» habe man aber auch Fertiglesebrillen im Sortiment, betont Optometrist Curdin Foppa von Visilab – ein Produkt mit generellen Schwächen: «Der Nachteil von Fertiglesebrillen ist, dass sie rechts und links die gleiche Korrektur aufweisen.» Bei den Augen sei das leider meist nicht der Fall. Und meistens haben Lesebrillen weder eine Entspiegelungsschicht noch eine Hartschicht.»
Nicht alle erfüllen die Normen bei der Präzision
Doch abgesehen von diesen allgemeinen Schwächen: Wie präzise sind die günstigen Lesehilfen gebaut? Sind sie für den Alltagsgebrauch stabil genug? Im ersten Test prüft der Laborleiter, ob die Fertiglesebrillen die angegebenen Dioptriewerte genau erreichen. Das tun sie meistens erstaunlich genau, bis auf das Modell A1s von Interop, gekauft bei Visilab, das die Norm nur knapp erfüllt. Visilab schreibt «Kassensturz», dies sei ein Auslaufmodell und bald nicht mehr im Sortiment.
Im zweiten Test prüften die Experten, wie genau die Gläser in die Rahmen eingepasst sind. Im Idealfall liegen die optischen Zentren der Gläser auf gleicher Höhe und in genau dem Abstand, der laut Norm auf der Brille angegeben werden muss. Bei zwei Modellen war die Differenz des angeschriebenen zum gemessenen Wert so gross, dass Laborleiter Patrick Niklaus negative Effekte für die Brillenträger erwartet: «Wenn die Position der Pupillen nicht mit den Mitte der Gläser übereinstimmen, ermüden beim längeren Lesen die Augen einfach schneller. Im Extremfall kann man auch Kopfschmerzen bekommen.»
Zu grosse Abweichungen vom angegebenen Augenabstand haben die Brillen Genius, gekauft am K Kiosk, und das Modell von Polaroid. Polaroid schreibt, als angesehene Brillenmarke nehme sie die Messwerte ernst und habe umgehend Nachtests eingeleitet.
Bei einigen fehlte die Angabe zur Pupillendistanz. Das erschwert es den Kunden, die für sie passende Lesebrille zu finden. Ausgerechnet weit verbreitete Sonnenbrillen-Marken wie Cerjo und Invu gehören zu den Herstellern, die nicht einmal den Pupillenabstand deklarieren. Cerjo reagiert denn auch prompt: «Wir bedauern dieses Missgeschick unsererseits ausserordentlich und werden diesen Mangel natürlich beheben.»
Wir nehmen die Brille vorsorglich aus dem Gestell.
Auch Invu verspricht, «ab diesem Frühjahr» die fehlende Angabe auf den Bügel zu schreiben. Die Migros hat ihre Lesebrille Sombra sogar vorsorglich aus dem Gestell genommen und will erst überprüfen, ob der Pupillenabstand in Ordnung ist.
Alle Brillen im Test erreichten insgesamt «genügende» bis «gute» Ergebnisse. Als einzige Lesehilfe im Test hat das Modell von Tchibo mit «sehr gut» abgeschnitten: Sie ist präzise zentriert, und die Dioptrie-Angabe stimmte genau.
Die positive Überraschung: Alle getesteten Modelle bestanden die Prüfung der Stabilität, auch die günstigsten.
Für den Dauergebrauch nur bedingt zu empfehlen
Für Augenarzt Jens Funk vom Universitätsspital Zürich ist klar: Auch mit einer schlecht angepassten Fertiglesebrille kann man sich die Augen nicht kaputt machen. Trotzdem rät der Mediziner, sporadisch die Augen untersuchen zu lassen: «In dem Alter, in dem man diese Alterssichtigkeit bekommt, sollte man ohnehin seine Augen checken lassen, weil in dem Alter auch Krankheiten entstehen, die sonst übersehen würden.» Klassischerweise sei das der grüne Star.
Der Mediziner ergänzt: Bestehe ausser der Alterssichtigkeit keine Fehlsichtigkeit, wie zum Beispiel durch Hornhautverkrümmung, würden die Pupillen in einer Normdistanz liegen und bezüglich Dioptrien keine Unterschiede zwischen rechtem und linkem Auge bestehen, dann sei gegen eine Fertiglesebrille nichts einzuwenden.
Die Brillen kosten zwischen 2.50 und 59.90 Franken – eine enorme Preisspanne. Die Brille Glasses Art, gekauft im Globus, ist gemäss der Firma so teuer, weil die Gläser entspiegelt und mit einem Blaulichtblocker beschichtet seien. Unter dem Strich sind die Resultate auf jeden Fall erfreulich: Es gibt gute und günstige Lesebrillen, und am Testsieger Tchibo gibt es praktisch nichts auszusetzen. Keine schlechte Leistung für 14.95 Franken.