Verletzt eine Mitarbeiterin am Arbeitsplatz ihre Pflichten oder begeht ein Mitarbeiter gar eine Straftat gegen den Arbeitgeber, so darf dieser das Arbeitsverhältnis künden. Bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen wie Straftaten sogar fristlos.
«Vertrauensverhältnis ist nicht mehr gegeben»
Was aber gilt, wenn – wie im Falle eines Verkäufers aus dem Kanton Thurgau – eine Verfehlung nur vermutet wird und sich nicht beweisen lässt? Dem Verkäufer wurde gekündigt, weil ihm der Arbeitgeber unterstellt, im Betrieb während mehrerer Monate wiederholt in die Kasse gegriffen zu haben. Handfeste Beweise gibt es keine. In der Begründung der Kündigung schreibt der Arbeitgeber, das Vertrauensverhältnis für eine weitere Zusammenarbeit sei nicht mehr gegeben.
Eine Kündigung aufgrund eines Verdachts kann missbräuchlich sein
Grundsätzlich braucht es für eine ordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses keinen Grund. Ein Gericht könnte eine Kündigung aber als missbräuchlich einstufen, wenn der Arbeitgeber lediglich aufgrund eines Verdachts die Kündigung ausspricht.
Das Bundesgericht hat sich immer wieder mit solchen Fällen zu befassen. Laut seiner Rechtsprechung ist eine auf einen blossen Verdacht ausgesprochene fristlose oder ordentliche Kündigung nur dann zulässig, wenn der Arbeitgeber sämtliche ihm zumutbaren Handlungen vorgenommen hat, um den Verdacht seriös abklären zu lassen.
In einem Fall aus der Westschweiz beurteilte das Bundesgericht die Kündigung einer Pflegefachperson als missbräuchlich: Der Frau wurde vorgeworfen, einem Patienten Geld gestohlen zu haben. Sie bekam die Kündigung und wurde per sofort freigestellt.
Arbeitgeber muss Anschuldigungen abklären lassen
Das Bundesgericht gab der Frau recht und beurteilte die Kündigung als missbräuchlich. Im Urteil hält es fest, dass eine Kündigung missbräuchlich sei, wenn der Arbeitgeber der Angestellten ehrverletzendes Verhalten vorwerfe, dafür aber keine ernsthaften Beweise habe und die Vorwürfe auch nicht abgeklärt habe.
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Vor diesem Hintergrund könnte der Verkäufer aus dem Kanton Thurgau seine Kündigung anfechten und vor Gericht eine Entschädigung verlangen. Auch in seinem Fall hat es der Arbeitgeber unterlassen, die Vorwürfe abzuklären.