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Schaden in der Wohnung «Müssen wir die Kosten für den Notfallsanitär bezahlen?»

Darf ein Mieter selbst einen Notfalldienst rufen, wenn die Verwaltung nicht erreichbar ist?

Es war ein Albtraum für eine Frau aus Oberried BE am Brienzersee. Fünf Tage vor der geplanten Wohnungsabgabe half sie ihrem Sohn beim Putzen. Dann der Schreck: Beim Schrubben der Badewanne bricht eine Armatur, das heisse Wasser floss und floss, der Wasserhahn liess sich nicht mehr abstellen, die Badewanne drohte zu überlaufen.

Kurz nach 12 Uhr mittags war weder der Hauswart noch die Liegenschaftsverwaltung erreichbar. Der verzweifelten Frau bleibt nichts anderes übrig, als einen Notfallsanitär aufzubieten.

Hohe Kosten, weil sie eine Überschwemmung verhindert hat?

Wie so häufig kommt für die hilfsbereite Frau nach dem Schreck der Ärger: Die Liegenschaftsverwaltung will die Kosten für den Notfallsanitär nicht übernehmen, weder für den Notfalleinsatz und die Arbeit (rund 600 Franken), noch für den Ersatz des defekten Wassermischers (rund 300 Franken). «Der Verwalter sagt, ich hätte warten können, bis die Verwaltung nach der Mittagspause wieder erreichbar gewesen sei. Man hätte dann jemanden aufgeboten.»

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Rechtsexpertinnen Raphaela Reichlin und Gabriela Baumgartner
Legende: Gabriela Baumgartner und Raphaela Reichlin Quelle: SRF Oscar Alessio / Roberto Crevatin

Die Rechtsexpertinnen Gabriela Baumgartner und Raphaela Reichlin beantworten jeden Donnerstag im «Espresso» eine Rechtsfrage. Hier geht es zu den bisherigen Antworten.

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Eine unverständliche Antwort für die betroffene Frau. Sie wendet sich an die Haftpflichtversicherung ihres Sohnes. Dort schlägt man eine pragmatische Lösung vor: Der Mieter soll den Notfallzuschlag bezahlen, die Verwaltung die Kosten für die Arbeit und den Wasserhahn.

Verwaltung stellt sich stur

Doch die Verwaltung lehnt den Vorschlag ab. Unverständlich für die Mutter des Mieters: «Kann es wirklich sein, dass wir nach diesem Vorfall auf den ganzen Kosten sitzen bleiben?»

Rechtlich gesehen ist klar, dass in erster Linie die Auftraggeberin die Rechnung des Dienstes bezahlen muss. Im konkreten Fall ist die Situation allerdings nicht so einfach, denn die Auftraggeberin hat mit ihrer Vorgehensweise das Überlaufen der Wanne und möglicherweise einen Wasserschaden verhindert. Dazu war sie verpflichtet, denn Mieterinnen und Mieter haben eine Schadenminderungspflicht. Sie müssen alles tun, um einen drohenden Schaden zu verhindern.

Die Frau handelte im Interesse der Verwaltung

Natürlich müssen sich Mieterinnen und Mieter in Notfällen in erster Linie an ihre Verwaltung wenden. Wie eine Verwaltung erreichbar zu sein hat, ist gesetzlich nicht geregelt. Sie muss aber eine Erreichbarkeit für Notfälle sicherstellen. Im Beispiel aus der Region Brienzersee war das nicht der Fall, weshalb der Mutter des Mieters nichts anderes übrigblieb, als einen Notfalldienst aufzubieten.

Weiterführende Links

Die finanziellen Konsequenzen ihres richtigen Handelns sind im Obligationenrecht geregelt: Dort steht sinngemäss, dass die Vermieterin in diesem Fall die Kosten zu tragen hat, weil die Mieterin im Interesse der Verwaltung gehandelt hat. Juristinnen und Juristen sprechen von der «Geschäftsführung ohne Auftrag».

Will heissen: Gestützt auf diese Bestimmung ist die Verwaltung verpflichtet, der Mutter ihres ehemaligen Mieters die Kosten für den Einsatz des Notfallsanitäters zurückzuerstatten.

Espresso, 6.3.25, 8:10 Uhr

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