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Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde im Fokus
Aus Espresso vom 04.07.2024. Bild: imago
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Rolle der Kesb Vorsorgeauftrag: «Wozu muss sich diese Kesb einmischen?»

Weshalb sehen eigentlich so viele Menschen rot, wenn sie von der Kesb hören?

Ein Ehepaar hinterlegt seinen Vorsorgeauftrag beim Zivilstandesamt. «Wir wollten verhindern, dass die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Kesb bestimmen kann, was unsere Angehörigen zu tun und zu lassen haben, wenn wir nicht mehr selbst darüber entscheiden können», sagt der Mann. Nun habe er erfahren, dass die Kesb diesen Vorsorgeauftrag in Kraft setzen müsse. Genau die Behörde, die er umgehen wollte. Er sei empört und fühle sich ausgeliefert.

Kein Einzelfall. Das Wort «Kesb» ist ein Reizwort. Ein anderer Mann schildert, er habe seinen Vorsorgeauftrag bei der Bank deponiert. Weil sonst die Kesb beim Tod eines Ehepartners die Konten sperre.

Viele Missverständnisse rund um die Kesb

Die beiden Beispiele zeigen: Es sind meist Missverständnisse, weshalb viele Menschen ein Unbehagen gegenüber der Kesb haben. Eines dieser Missverständnisse: Das Gesetz schreibt vor, dass die Kesb zum Schutz der betroffenen Person prüfen muss, ob diese wirklich urteilsfähig ist, bevor sie einen Vorsorgeauftrag in Kraft setzt. Wer diese behördliche Prüfung nicht möchte, sollte seinen Angehörigen nicht einen Vorsorgeauftrag, sondern eine Vollmacht aushändigen.

Wofür ist die Kesb zuständig?

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Die Aufgaben der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde sind im Schweizerischen Zivilgesetzbuch (Art. 440 bis 453) geregelt.

Zu den häufigsten Aufgaben der Kesb gehört das Einsetzen einer Beiständin oder eines Beistandes, wenn zum Beispiel eine betagte Person keine Angehörigen hat und nicht mehr für sich selbst sorgen kann oder die Anordnung von Schutzmassnahmen, wenn sich Eltern nicht einvernehmlich oder genügend um ihre Kinder kümmern können.

Bei den Vorsorgeaufträgen sieht das Gesetz vor, dass diese zum Schutze der betreffenden Person durch die Kesb geprüft und in Kraft gesetzt werden müssen.

Ein anderes Missverständnis: Nicht die Kesb sperrt bei einem Todesfall die Bankkonten, sondern die Banken selbst – zumindest bis zum Vorliegen eines Erbscheines. Das lässt sich mit einem Vorsorgeauftrag nicht umgehen. Denn ein Vorsorgeauftrag gilt nur bis zum Tode einer Person, nicht darüber hinaus.

Gesetzesrevision war bitter nötig

Das aktuelle Erwachsenenschutzrecht trat vor gut zwölf Jahren in Kraft und löste das veraltete und für Betroffene stigmatisierende Vormundschaftsrecht ab. Mit dem neuen Gesetz wurde mit der angepassten Beistandschaft, der Patientenverfügung und dem Vorsorgeauftrag der Schutz hilfsbedürftiger Menschen und die Selbstbestimmung gesetzlich verankert.

Wie oft wird die Kesb aktiv?»

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Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Kesb ist mehrheitlich im Erwachsenenschutz aktiv: Per 31.12.2022 wurden rund 103'000 Erwachsene mit einer Schutzmassnahme von der KESB unterstützt und rund 46'000 Kinder.

Gründe bei den Erwachsenen sind oftmals psychische Probleme oder Probleme im Umgang mit Geld, etwa Spielsucht. Viele ältere Menschen brauchen zudem Hilfe, weil sie alltägliche Dinge nicht mehr bewältigen können. In 80-85 Prozent aller Fälle erfolgen die KESB-Massnahmen im Einvernehmen mit den Betroffenen, das heisst die Betroffenen haben die Unterstützung entweder ausdrücklich beantragt oder sind einverstanden damit.

Auch bei den Kindern geht es meist um unterstützende Massnahmen. Fremdplatzierungen von Kindern sind selten. Sie machen etwa 3.4 Prozent aller Kesb-Massnahmen aus. Dabei geht es etwa um Kinder, die zu Hause misshandelt oder vernachlässigt werden.

Quelle: Kokes

Organisatorisch lösten Berufsbehörden die früheren Laienbehörden ab. Doch der Start war harzig. Von «Chaos statt Kompetenz» berichteten die Medien, die Kesb wurde als «übergriffige Staatsbehörde» betitelt, zur als die am «meisten gehasste Behörde» gekürt.

Unbehagen ist oft nicht begründet

Schlagzeilen wie diese sorgen für ein Unbehagen gegenüber der Kesb. Dabei zeigt eine Erhebung der Konferenz der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden Kokes: Seit Einführung der Kesb sind weder die Fallzahlen markant gestiegen noch die Beschwerden gegen Massnahmen. Auch hat eine Befragung der Stadtzürcher Kesb bei Betroffenen ergeben, dass zwischen 80 und 90 Prozent mit den Massnahmen einverstanden sind.

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Die unabhängige Fachstelle für das Alter, UBA bestätigt diese Zahlen. Berechtigte Beschwerden gegen die Kesb seien eher selten, weiss die Geschäftsleiterin Ruth Mettler Ernst. «Aber wir erleben, wie hilfreich Beistandschaften für ältere Menschen sind.» Doch darüber berichte niemand.

Espresso, 04.07.24, 08:10 Uhr

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