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Alkohol-Mythos «Bier auf Wein, das lass sein»: Stimmt dieser Rat?

Die Reihenfolge der Getränke soll für den Kater entscheidend sein. Dieser Mythos hält sich hartnäckig. Ein Mediziner sagt, wie viel dran ist.

Der Abend beginnt mit einem Besuch am Oktoberfest oder einem Apéro mit Freunden. Am nächsten Morgen pochen die Schläfen. Müdigkeit, Kopfschmerzen und Konzentrationsschwierigkeiten begleiten einen durch den Tag. Auf einen solchen Kater würden Trinkfreudige gerne verzichten. Einer der bekanntesten Ratschläge gegen den Hangover: «Bier auf Wein, das lass sein. Wein auf Bier, das rat' ich dir.»

Diesen Trinkspruch hat der Mediziner Kai Hensel untersucht. Er ist Kinderarzt und Professor an der Universität Witten/Herdecke. Seine Motivation: «Ich hatte das Bedürfnis, eine Studie mit einem humoristischen Hintergrund zu machen, die wissenschaftlich trotzdem wasserdicht ist.»

Ein «kontrolliertes» Besäufnis

Für die Studie konnten sich rund 90 Freiwillige betrinken. Kai Hensel und sein Forschungsteam teilten die Probandinnen und Probanden in drei Gruppen auf:

  • Am ersten Abend trank eine Gruppe zuerst Wein, danach Bier. Bei einem zweiten Besäufnis wechselte sie die Reihenfolge der Getränke.
  • Eine weitere Gruppe startete am ersten Abend mit Bier und stieg danach auf Wein um. Am anderen Abend änderte die Gruppe ebenfalls die Reihenfolge.
  • Eine dritte Kontrollgruppe trank an einem Abend nur Bier. Danach konsumierte sie ausschliesslich Wein.

Reihenfolge für den Kater nicht entscheidend

Das Fazit: Der Trinkspruch hielt dem Experiment nicht stand. Die Reihenfolge der Getränke war für den Kater nicht entscheidend. «Wir konnten im Durchschnitt am nächsten Tag keinen Unterschied feststellen», sagt Hensel.

Beim Versuch konsumierten die Freiwilligen Lagerbier und Weisswein. Hensel vermutet, dass das Resultat mit Rotwein ähnlich ausfallen würde. «Doch untersucht dies hat bisher noch niemand.»

Redewendung aus dem Mittelalter

Beim Experiment schufen die Forscher möglichst ähnliche Bedingungen. Die Studienteilnehmerinnen mussten eine Blutalkoholkonzentration von 1.1 Promille erreichen. Zuvor assen die Studienteilnehmer Pasta mit Pesto.

Vor dem Schlafen tranken alle eine gewisse Menge Wasser pro Kilo Körpergewicht. «Weiter haben sie in der gleichen Unterkunft, auf der gleichen Matratze geschlafen», sagt Hensel. Am nächsten Morgen mussten die Probandinnen die typischen Katersymptome auf einer Skala einschätzen.

«Espresso Aha!»

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2019 hat Kai Hensel seine Studie publiziert. Doch wenn sich die Redewendung nicht mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen deckt, woher stammt sie dann?

«Der Spruch hat seinen Ursprung vermutlich im Mittelalter», so Christoph Lienert. Der stellvertretende Leiter des Schweizer Brauerei-Verbandes sagt: «Früher konnte sich nur der Adel Wein leisten. Die unteren Schichten tranken Bier.» Der Spruch «Bier auf Wein, das lass sein!» habe also vor dem gesellschaftlichen Abstieg gewarnt.

Weiterführende Links

Espresso, 28.10.24, 8:10 Uhr

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