Dank des heissen, sonnigen Wetters war die Sonnencrème diesen Sommer nie weit. Auf vielen Marken und Produkten findet man seit einiger Zeit die Label «korallenfreundlich», «reef-friendly» oder «ozeanfreundlich». Doch was sagen solche Label aus?
Hawaiianisches Riffgesetz verbietet gewisse UV-Filter
Hintergrund der relativ neuen Auslobungen auf Sonnenschutzmitteln ist ein Gesetz, das der US-Bundesstaat Hawaii 2021 eingeführt hat. Hawaii verbot alle Sonnencremes mit den UV-Filtern Octinoxat und Oxybenzon. Diese stehen im Verdacht, Korallen auszubleichen und möglicherweise dazu beizutragen, dass Korallen absterben.
Viele Hersteller entfernten die beiden Filter daraufhin aus ihren Produkten und bestückten ihre Flaschen dafür mit allerlei kreativen Begriffen – «ozeanfreundlich», «reef-safe» oder «korallenfreundliche Formel».
14'000 Tonnen Sonnenschutzmittel landen jährlich im Meer
Laut einer Schätzung der amerikanischen Meeresbehörde landen pro Jahr bis zu 14'000 Tonnen Sonnenschutzmittel im Meer, und bis zu 6000 Tonnen direkt bei den Korallenriffen.
Aus meiner Sicht sagen solche Begriffe gar nichts aus, es ist Augenwischerei.
Trotzdem hält der Sonnenschutzmittel-Experte Christian Surber, emeritierter Titularprofessor für Hautpharmakologie und Spitalpharmazie, nicht viel oder gar nichts von diesen Labels: «Aus meiner Sicht sagen solche Begriffe gar nichts aus, es ist Augenwischerei.»
Für Sonnenschutzexperte ist es Marketing
Erstens gäbe es für solche Label (noch) keine offizielle Zertifizierung. Das heisst, jeder Hersteller kann sie nach Belieben auf seine Produkte drucken.
Und zweitens würden umstrittene Filter einfach durch andere ausgetauscht: «Wenn ein Filter in der Praxis in Verruf kommt, wird er einfach ersetzt», sagt Christian Surber. Und zwar mit anderen UV-Filtern, die entweder genau so umstritten sind, oder wissenschaftlich noch zu wenig untersucht. In der Regel besteht eine Sonnencrème aus einem Mix aus vier bis sieben verschiedenen UV-Filtern.
Riff-freundliche Cremes schützen Süssgewässer nicht automatisch
Ein sogenannt «riff-freundliches» Sonnenschutzmittel nützt Korallen nur, wenn man auch dort badet. Unsere eigenen Gewässer und Wasserlebewesen schützt dieses Label nicht per se.
«Für die Süssgewässer in der Schweiz sind diese Label keine direkte Hilfestellung, leider», bestätigt die Umwelttoxikologin Alexandra Kroll vom Oekotoxzentrum, welches den Effekt von Chemikalien auf die Umwelt wissenschaftlich untersucht.
Rund 30 UV-Filter sind in der EU derzeit zugelassen. Rein von der Menge her, die es beim Baden in unsere Seen und Flüsse schwemmt, sind diese Stoffe vermutlich ein Klacks im Vergleich mit jenen Chemikalien aus Pflanzenschutzmitteln und Düngern, die durch die Landwirtschaft in unseren Gewässern laden.
«Es braucht bessere Daten für die Schweiz»
Trotzdem kritisiert Alexandra Kroll, es gäbe zu wenig Daten, wie stark unsere Bäche, Seen und Flüsse mit solchen UV-Filtern belastet seien. Und wie lange diese Stoffe dort bleiben. Auch sei nicht bekannt, wie sich die Konzentration dieser Filter über die Badesaison verhält. «Wir müssten für die Schweiz bessere Daten haben,» fordert die Wissenschaftlerin.
Pfadi-Bula im Wallis lieferte wertvolle Daten
Immerhin: Während dem zweiwöchigen Bundeslager im Wallis, in dem sich die 30'000 Pfadfinderinnen und Pfadfinder im nahen Badesee erfrischten, konnte das Oekotoxzentrum Messungen machen und regelmässig Proben entnehmen. Erste Resultate erwartet Alexandra Kroll im Spätherbst – wenn alles gut läuft.