Wolken und Nieselregen über dem Bodensee. Berufsfischer Reto Leuch wirft seine Netze aus. Doch die Erträge brechen ein: «Ein Katastrophenjahr», sagt Leuch. Kormoran, Nährstoffknappheit, Quagga-Muschel – verschiedene Faktoren belasten die Fischpopulation.
Dass nun auch noch schädliche PFAS in Fischen aus Schweizer Gewässern gefunden werden, besorgt den obersten Berufsfischer der Schweiz: «Wir sind hier auf dem grössten Trinkwasserreservoir Europas – dass man in den Fischen solche Stoffe findet, erschreckt mich. Man denkt, der Fisch ist ein Produkt, das natürlicher nicht sein könnte.»
«Kassensturz» liess 17 Fische aus Seen, Flüssen und Zuchten verteilt über die Schweiz auf PFAS (per- und polyfluorierte Alkylverbindungen) untersuchen. Diese Chemikalien sind sehr stabil und dank ihrer wasser- und ölabweisenden Eigenschaft in der Industrie und in alltäglichen Produkten beliebt. Aber sie reichern sich in der Umwelt und im menschlichen Körper an. Ein Problem, denn einige PFAS sind gesundheitsschädlich.
Tabelle zum Downloaden:
Um die Bevölkerung vor PFAS-Aufnahme aus der Nahrung zu schützen, hat die EU seit Anfang 2023 Höchstwerte in Lebensmitteln eingeführt. Ab nächstem Jahr gelten diese Regeln auch in der Schweiz.
Zwei Fische über EU-Höchstwert
Die Analyse zeigt: Ein Hecht aus dem Neuenburgersee und ein Döbel aus dem Doubs enthalten mehr PFAS als die EU-Regelung erlaubt.
Die Werte seien ein Zeichen dafür, dass die Gewässer wahrscheinlich deutlich mit PFAS belastet sind, erklärt Toxikologe Davide Staedler, der die Analyse geleitet hat: «Aber: Wer einmal einen solchen Fisch isst, riskiert nicht in den nächsten Stunden oder Tagen krank zu werden. Das Problem ist ein chronisches.»
Konkret: Vom Hecht aus dem Neuenburgersee dürfte eine 75 Kilogramm schwere Person das ganze Leben lang jede Woche 28 Gramm essen, ohne gesundheitliche Folgen zu riskieren. Allerdings nur unter der Annahme, dass keine PFAS aus anderen Quellen dazukommen. Das ergibt die Berechnung mit dem Schwellenwert der EU-Lebensmittelbehörde .
Unrühmliche Spitzenreiter: Zuger-, Murten- und Genfersee
Die stärkste PFAS-Belastung in der Stichprobe findet das Labor in einem Felchen aus dem Zugersee. Ebenfalls relativ hohe PFAS-Werte wurden in Egli aus Murten-, Genfer- und Bodensee und einem Felchen aus dem Bielersee gemessen. Diese Fische enthalten mehr PFAS als die Hecht- und Döbel-Proben, liegen aber unter dem EU-Höchstwert für Egli und Felchen.
Je abgelegener, desto weniger PFAS
Es geht auch mit weniger PFAS: Felchen, Zander und Egli aus dem Zürichsee sowie Felchen aus dem Vierwaldstättersee und Saibling aus dem Genfersee enthalten niedrigere PFAS-Werte. Kaum PFAS fand das Labor in Fischen aus der Saane, dem Lac de Joux und zwei Zuchten, welche mit Quellwasser aus den Alpen arbeiten.
Für Davide Staedler zeigen die Resultate eine klare Tendenz: «An städtischen Standorten mit mehr menschlichem Einfluss gibt es tendenziell mehr PFAS als an entlegenen Orten.»
Reduktion nötig
Auf EU-Ebene wird aktuell ein Vorschlag geprüft, PFAS weitgehend zu verbieten. Eine Entscheidung wird nicht vor 2025 erwartet.
Für Berufsfischer Reto Leuch ist klar: Politik und Gesellschaft müssen auch in der Schweiz aktiv werden, damit weniger PFAS in die Umwelt gelangen. «Ich weiss nicht, ob ein komplettes Verbot realistisch ist, aber wir müssen schauen, dass wir von diesen Stoffen wegkommen», fordert der oberste Berufsfischer der Schweiz.