Hoher Lichtschutzfaktor, kleiner Preis? Kein Problem für Temu. Sonnenschutzmittel, mit Lichtschutzfaktor 50+, 60+ oder sogar 100, gibt es in Hülle und Fülle auf der chinesischen Online-Plattform zu kaufen. Doch halten die hohen Schutzfaktoren auch einer wissenschaftlichen Prüfung stand?
Im pharmazeutischen Labor der Universität Nantes lassen die Konsumsendungen «A Bon Entendeur» von RTS und «Kassensturz» eine Stichprobe von sieben gekauften Sonnencremes auf ihre Sonnenschutz-Wirkung testen. Allesamt stammen sie von der Shopping-Plattform Temu. Dort werden dutzende solcher Cremes von verschiedensten Händlern angeboten.
Sonnencremes unter drei Franken
Die Preise sind verlockend: Schon ab 2.85 Franken sind Sonnencremes mit angeblichem Schutzfaktor 100 zu haben. Versprochen wird UVA- und UVB-Schutz. Bezüglich der enthaltenen Sonnenschutzfilter bleiben die Inhaltsangaben allerdings meistens vage, bisweilen sind sie sogar irreführend.
Laborleiterin Céline Couteau stösst beim Lesen der Inhaltsstoffe auf einer Packung auf einen Filter, von dem sie noch nie gehört hat: «Das ist eine Mischung aus zwei Namen von UV-Filtern, die bekannt sind. Hier wurde ein Fantasiename kreiert, ein Filter, den es nicht gibt, indem zwei existierende Filternamen vermischt wurden.»
Um den tatsächlichen Sonnenschutz der Produkte zu testen, benutzt das Labor ein Spektralphotometer. Dieses imitiert echte Sonneneinstrahlung. Das Resultat ist vernichtend, bei allen getesteten Produkten.
Gemessener Sonnenschutzfaktor 1 statt 100
Alle Sonnencremes haben praktisch keinen Sonnenschutz. Der gemessene Lichtschutzfaktor liegt bei fünf Produkten gerade mal knapp über 1. Zwei Cremes weisen einen SPF von 6,2 und 7,5 auf. Verkauft werden Werte zwischen 50 und 100. Zudem enthält eine Creme zwei allergieauslösende Stoffe.
Die Laborleiterin Céline Couteau findet klare Worte: «Das sind keine Sonnencremes.» Diese Produkte seien gefährlich für die Gesundheit, man dürfte sie nicht als Sonnencremes verkaufen. «Jetzt haben wir den fehlenden Sonnenschutz bei Sonnencremes nachgewiesen. Wir können davon ausgehen, dass wir die gleiche Art von Problem bei anderen Kosmetikprodukten haben werden, bei Pflegeprodukten, Make-up, Aufhellern», so die Kosmetik-Wissenschaftlerin.
Schweizer und EU-Richtlinien gelten nicht
Doch weil die Produkte von Privatpersonen im Ausland gekauft und importiert werden, gelten die gesetzlichen Anforderungen des Schweizer oder EU-Rechts an Kosmetikprodukte nicht. Temu schreibt als Reaktion auf die Testresultate, die Sicherheit von Produkten sei Temu wichtig, deswegen seien die getesteten Sonnencremes umgehend aus dem Verkauf genommen worden.
Von den Händlern würden zusätzliche Zertifikate eingefordert. Tatsächlich waren aber auch lange nach der Mitteilung der Testresultate weiterhin zwei der Cremes auf dem Temu-Marktplatz erhältlich.