Ein Grossteil der Knochenbrüche wird heute nicht mehr mit Streckverband und Gips behandelt – die Knochen werden genagelt und verschraubt. Theoretisch kann nach kompletter Ausheilung des Knochenbruchs das Stabilisierungsmaterial nach rund einem Jahr herausgenommen werden. Nur selten gibt es dafür aber auch wirklich einen medizinischen Grund.
Meistens steht ausschliesslich der Wunsch des Patienten dahinter, den das Metall stört und allenfalls in der Bewegung einschränkt. In 65 Prozent der Fälle erfolgt die Metallentfernung als reine, routinemässige Metallentfernung ohne spezifische Probleme durch das Implantat. Die meisten Folgeoperationen wären aus medizinischer Sicht also unnötig.
Eingriff nicht ohne Risiken
Die Materialentfernung birgt immer auch die typischen Risiken einer Operation – und im schlimmsten Fall können Schrauben bei der Entfernung aus dem Knochen brechen. Bei der so genannten Osteosynthese-Materialentfernung besteht vor allem in den oberen Extremitäten auch die Gefahr, dass ein Nerv verletzt werden könnte.
Nikolaus Renner, Chefarzt Traumatologie vom Kantonsspital Aarau, präzisiert: «Es existiert vielleicht eine nennenswerte Ausnahme, die eine Metallentfernung medizinisch rechtfertigt. Und zwar, wenn man einen Bruch mit dem Metall über ein Gelenk hinweg hat fixieren müssen. Diese Schrauben und Platten würden rasch wieder entfernt, noch bevor das Gelenk wieder voll belastet werden kann.» Und natürlich werden Nägel, Schrauben oder Platten auch bei Komplikationen wie einer Infektion entfernt oder ausgetauscht.
Selbst bei Kindern gibt es in einigen Ländern die Tendenz, das Metall – trotz Knochenwachstum – im Körper zu belassen.
Schrauben aus Milchsäure oder Magnesium
Die Diskussion über Sinn und Unsinn der Osteosynthese-Materialentfernung könnte mit sich selbst auflösenden Nägeln, Schrauben und Platten hinfällig werden.
Im Moment existieren in der Praxis zwei Alternativen aus Biomaterial, die sich über ein bis drei Jahre von selbst im Körper abbauen:
- Schrauben aus Polymilchsäure, einem Kunststoff aus Milchsäure
- Schrauben deren Hauptbestandteil Magnesium ist.
Derzeit werden die Schrauben von den Chirurgen bei kleineren Eingriffen an Händen und Füssen, an Kiefer und Schädel und bei der Rekonstruktion von Sehnen an Schulter und Knie eingesetzt.
Dominik Meyer, Chirurg an der Universitätsklinik Balgrist, erklärt: «Das sind Einsatzbereiche wo typischerweise mit kleinen Schrauben und Implantaten gearbeitet wird, weil auch die Dimensionen eher klein sind und die Kräfte, die auf die Knochen wirken, gering sind.» Das Material, das schliesslich abgebaut wird, ist zudem vom Volumen her eher gering und der Abbauprozess laut Studien unproblematisch.
«Bio-Schrauben» müssen sich erst noch beweisen
Die heute meistens verwendeten Edelstahl- und Titan-Implantate sind dreimal so stark wie die Schrauben aus Milchsäure und Magnesium. Bei grösseren Brüchen an Armen und Beinen müssten sich die «Bio-Schrauben» erst noch beweisen. Der Hersteller der Magnesium-Schrauben ist jedoch davon überzeugt, in ein bis zwei Jahren grössere Schrauben und auch Platten zur Befestigung anbieten zu können.
Aus dem Nischenprodukt könnte dann für Patienten und Ärzte allenfalls eine echte Alternative werden. Orthopäde Nikolaus Renner hat vorerst aber noch Vorbehalte: «Grundsätzlich wäre es natürlich toll, wenn es Material gäbe, das sich genau zu dem Zeitpunkt auflösen würde, wo der Knochen wieder ganz und der Bruch verheilt ist. Und da habe ich gewisse Zweifel: Heute weiss man noch nicht ganz sicher, wie lange die mechanische Stabilität durch solche Schrauben gewährleistet ist.»
Im Schnitt rechnen die Orthopäden bei der Knochenheilung mit mindestens drei Monaten. Und so lange müssten auch die Milchsäure- und Magnesium-Implantate absolut stabil bleiben, bevor ihr Zersetzungsprozess beginnt.
In einer Studie an Schafen und Schweinen wird die Stabilität und Verträglichkeit beim Einsatz an grösseren Knochen im Moment gerade untersucht.