Lasse Stolley hat sich die Bahncard 100 (1. Klasse) der Deutschen Bahn gekauft – vergleichbar mit dem GA in der Schweiz. Er kann somit quer durch Deutschland reisen, soviel er möchte. Das macht er nun schon seit zwei Jahren und hat keinen festen Wohnsitz mehr. Doch wie gehen seine Eltern damit um? Das möchten auch Viola Tami und Jan Fitze von der SRF-Sendung «Ding Dong» wissen. Sie begleiten ihn auf der Strecke Berlin-Hamburg.
Der Blogger gibt zu, dass seine Eltern anfangs skeptisch gewesen sind und sich Sorgen machten. Doch mit der Zeit hätten sie gemerkt, dass sein Plan funktioniert und er Spass daran hat.
Bei einem Instagram-Post schreibt Lasses Mutter: «Nur, weil er nicht den ‹normalen› Weg nimmt, heisst das nicht, dass dieser Weg schlechter ist. Neue Wege erfordern eben Mut!» Denn viele Nutzende äussern sich kritisch und hinterfragen die Verantwortung seiner Eltern.
Lasse: «Ich wollte raus und reisen»
Nach seinem Realabschluss erhält der Schüler eine kurzfristige Absage seines zukünftigen Lehrbetriebs und braucht schnell eine Alternative. Er erinnert sich an ein Youtube-Video über jemanden, der im Zug gelebt hat: «Diese Freiheit hat mich inspiriert … Ich wollte raus und reisen.» Dass er nun schon zwei Jahre im Zug lebt, war nicht der Plan, aber Lasse kann sich vorstellen, das noch für ein paar Jahre zu machen.
Die Bahncard 100 für die 1. Klasse kostet pro Jahr 5888 Euro, rund 5500 Schweizer Franken. Um sich das zu finanzieren, arbeitet Lasse als Softwareentwickler für ein Kölner IT-Start-up. Er macht nicht Homeoffice, sondern Trainoffice. Wenn Meetings anstehen, arbeitet er in einer der DB-Lounges für Reisende der 1. Klasse. In einigen Lounges kann er auch kostenlos essen und trinken, zum Beispiel einen Falafel-Wrap oder Focaccia mit gegrilltem Gemüse. Alle drei Monate ändert sich etwas im Speiseplan der Lounges, erklärt Lasse: «Dafür, dass es kostenlos ist, ist es echt gut.» Dass Lasse sich eine Bahncard 100 für die 1. Klasse gönnt, ist erst seit einem Jahr der Fall und hat zum grössten Teil damit zu tun, dass die Nacht-ICEs in der 2. Klasse zu stark ausgelastet sind.
Lasse: «In den ICEs der 1. Generation kann ich am besten schlafen»
In Deutschland gibt es Nacht-ICEs, die Bahncard-100-Besitzende ohne Aufpreis nutzen dürfen, ausgenommen sind Schlaf- oder Liegewagen. Um im Sitzwagen gut schlafen zu können, hat Lasse ein Mikrofaser-Handtuch, das er als Decke benutzt, und ein Nackenkissen.
Der Minimalist erklärt, dass er einen Lieblings-ICE habe: «In den ICEs der 1. Generation kann ich am besten schlafen.» Diese ICEs haben noch Sechserabteile, und man kann über drei Sitze liegen. In den anderen ICEs hat er auch schon auf Luftmatratzen unter den Sitzen geschlafen, aber das ist «super eng». Auch das Thema Waschen und Duschen ist «kompliziert, aber lösbar». Er geht in einen Waschsalon oder benutzt ein Waschbecken für einzelne T-Shirts.
Zudem beschäftigt ihn auch das Thema Sicherheit: «Es wird viel geklaut, besonders nachts.» Lasse sichert seinen Rucksack mit einem Schloss und achtet besonders darauf, dass sein Gepäck unter den Sitzen oder Tischen verstaut ist. Auf seinem Blog gibt er seine besten Tipps im «How-To: Nachtreise im ICE» preis.
Der Zugnomade fühlt sich wohl in den Zügen und kann sich diesen Lebensstil noch für ein paar Jahre vorstellen. Der Crew von «Ding Dong» erklärt er: «Mein Ziel ist es, die Zeit zu geniessen, herumzukommen und etwas zu erleben.»