Es ist zum Haare raufen: Da führen die Schweizerinnen bei ihrem 4. Nations-League-Auftritt in Reykjavik zweimal vermeintlich komfortabel: Nach 17 Minuten mit 2:0 und kurz nach dem Seitenwechsel mit 3:1. Gleichwohl resultiert gegen Island nur ein 3:3-Remis – zu wenig, gemessen an den Ansprüchen der gastgebenden Nation der Women's EURO im kommenden Sommer.
Somit konnte die SFV-Auswahl auch in der 6. Partie in Folge nicht gewinnen, erhielt in dieser Phase schon 14 Gegentreffer. Der letzte Vollerfolg datiert von Ende Oktober beim 2:1 in Genf gegen ein damals allerdings dezimiertes Frankreich. Vor dem verpatzten Länderspiel-Abschluss im 2024 (0:6 gegen Deutschland und 0:1 gegen England) hatte dieser Prestige-Coup am Ende eines durchaus gelungenen Abschnitts gestanden mit 6 Siegen und 1 Unentschieden aus 8 Matches.
Jetzt, weniger als 3 Monate vor Beginn des Heim-Turniers in 8 Schweizer Städten (2. bis 27. Juli) präsentiert sich die Situation nicht mehr so geschönt. Wir versuchen, anhand von 4 aufgeworfenen Fragen den Puls zu messen.
- 1.) Sind Sorgen in Bezug auf das Leistungsvermögen des Teams angezeigt?
Eine frustrierte Schweizer Kapitänin Lia Wälti wird nach der Enttäuschung in Island darauf angesprochen. Als zuweilen fragil, vogelwild und naiv beschreibt sie das Spiel ihres Teams. Gleichwohl strahlt sie beim Blick nach vorn Zuversicht aus: «Wir haben extremes Talent in unseren Reihen, das blitzt immer mal wieder auf.» Nur müsse man es endlich schaffen, Konstanz an den Tag zu legen – und zwar über zwei Halbzeiten hinweg und gegen Gegnerinnen von unterschiedlichem Format. «Es geht darum, intelligent zu spielen und auch einmal einen Vorsprung verwalten zu können», fordert die 31-Jährige.
- 2.) Ist die Schweiz im Tor richtig aufgestellt?
Verhältnismässig früh und ohne Zugzwang ist Elvira Herzog Ende des vergangenen Jahres zur Nummer 1 ausgerufen worden. Die Leipzig-Keeperin musste die riesigen Fussstapfen von Gaëlle Thalmann ausfüllen, die nach der WM 2023 «Down Under» ihre über 100 Partien umfassende Länderspiel-Karriere beendet hatte.
Nun spielte Herzog bei ihren letzten 7 Nati-Einsätzen erst ein einziges Mal zu null (0:0 gegen Island). Bei den jüngsten 2 Begegnungen konnte sie beide Male den Ball im Anschluss an einen Freistoss nicht behändigen. Auch beim 2:3-Anschlusstor auf der Insel war die 25-Jährige nicht frei von jeglicher Schuld und vermochte ihre Ecke nicht abzudecken. SRF-Fussball-Expertin Martina Moser meinte hinterher: «Für mich ist es unverständlich, weshalb man sich im Tor so früh festgelegt hat auf die Stammkraft.» Livia Peng habe nur wenige Spiele bekommen, um sich aufzudrängen. Nach Herzogs Patzern sei es angezeigt, diese Hierarchie nochmals zu hinterfragen, «denn Peng spielt eine super Bundesliga-Saison».
- 3.) Was geschieht mit der Nati-Trainerin Pia Sundhage Ende 2025?
Mittlerweile bewegen wir uns im Bereich des «Kaffeesatzlesens». Fakt ist, dass das Arbeitspapier der Anfang 2024 installierten Schwedin per Ende 2025 ausläuft. Schon bei ihrer Amtseinsetzung war festgehalten worden, dass sie explizit die richtige Person sei für die Mission Heim-EURO. Auch die Trainerin selbst wollte den bevorstehenden Höhepunkt zum Anlass nehmen, um Energien sowie Emotionen freizusetzen. Deshalb werfen die Parteien ihre Blicke noch nicht über den Sommer hinaus und bleiben unverbindlich. Das Abschneiden an der EM fällt aber bezüglich Zukunft der 65-Jährigen auf alle Fälle ins Gewicht.
- 4.) Was würde der Abstieg aus der A-Liga der Nations League bedeuten?
Bei 2 ausstehenden Spielen (am 30. Mai auswärts gegen Frankreich und am 3. Juni zuhause gegen Norwegen) ist die Relegation für das Schlusslicht der Gruppe 2 kaum mehr abzuwenden. In der zweithöchsten Stärkeklasse träfe man nicht mehr auf ganz so klangvolle Widersacherinnen, sondern eher wieder auf solche in Reichweite – wie schon (ausser Konkurrenz) im Rahmen der letztjährigen EM-Ausscheidung. Sie hiessen damals Türkei, Aserbaidschan und Ungarn.
Eine weitere Konsequenz des Abstiegs wäre, dass sich dadurch die Ausgangslage für die Qualifikation zur WM 2027 in Brasilien erschweren würde.