Die durch das EU-Recht gewährte Freizügigkeit der Spieler und der Wettbewerb zwischen den Klubs werden laut Entscheid des höchsten Europäischen Gerichts (EuGH) durch die aktuellen Transferregeln der Fifa teils unzulässig eingeschränkt. Sportler und Vereine würden «mit erheblichen rechtlichen, unvorhersehbaren und potenziell sehr grossen finanziellen sowie ausgeprägten sportlichen Risiken» belastet, bemängelten die Richter.
Fall Diarra als Auslöser
Hintergrund ist eine Klage des französischen Ex-Internationalen Lassana Diarra. Der heute 39-Jährige hatte 2014 wegen Gehaltskürzungen seinen Arbeitgeber Lokomotive Moskau vor Vertragsablauf verlassen, worauf die Russen eine Entschädigung verlangten. Die Fifa und später der Internationale Sportgerichtshof (TAS) schlugen sich auf die Seite des Klubs, büssten Diarra mit 10 Millionen Euro und sperrten ihn für 15 Monate.
Diarra ging daraufhin juristisch gegen die Fifa vor. Seine Anwälte argumentierten, Diarras Suche nach einem neuen Klub werde behindert, weil dieser dann ebenfalls für die Entschädigung an Lokomotive Moskau haften würde. Ein angedachter Vertrag mit dem belgischen Klub Charlerois sei deswegen nicht zustande gekommen.
Zurück an die untere Instanz
Diarra verlangte vor einem belgischen Handelsgericht Schadenersatz und einen Verdienstausfall in Höhe von 6 Millionen Euro. Die Belgier legten den Fall dem EuGH vor – und erhielten ihn am Freitag zur Neubeurteilung zurück. Nun muss das belgische Gericht insbesondere berücksichtigen, dass die «gesamtschuldnerische Haftung» EU-Recht widerspreche.
Fachleute: Limitierte Folgen
Im Vorfeld des EuGH-Urteils war für möglich gehalten worden, dass es mit dem Entscheid aus Luxemburg zu einer erneuten Revolution des Transfermarkts kommen könnte, wie dies beim «Bosman-Urteil» 1995 (ablösefreier Wechsel nach Vertragsablauf) geschah. Dies für den Fall, dass Diarra vollumfänglich Recht erhalten würde.
Dies ist allerdings nicht geschehen. Die EuGH-Richter urteilten, einige Transferregeln dienten zurecht dazu, einen gewissen Grad an Beständigkeit in den Mannschaften zu gewährleisten.
Fachleute spielten die mutmasslichen Folgen des Urteils herunter. Der einstige Fifa-Funktionär Guido Tognoni meinte in der Tagesschau von SRF: «Ich glaube nicht, dass es zu grossen Umwälzungen kommt.» Niemand habe ein Interesse am Zusammenbruch des Transfersystems. «Der Weltfussball lebt auch von diesen Transfersummen.»
Gewerkschaft zufrieden – Fifa evaluiert
Anders sah es Diarras Anwalt Jean-Louis Dupont. Der Belgier sprach von einem «totalen Sieg». Die Spielergewerkschaft FIFPro, die Diarra unterstützt hatte, erwartet, dass das Urteil «die Landschaft des professionellen Fussballs verändern» werde. Die Fifa wollte keinen Kommentar abgeben. Man werde das (am Freitag noch nicht komplett veröffentlichte) Urteil zunächst studieren.
Klar ist: Bis das aktuelle Transfersystem grundlegende Änderungen erfährt, dürfte es aufgrund des langwierigen juristischen Prozederes noch Jahre dauern.