Nach der Rad-WM im vergangenen Jahr in Zürich finden die Weltmeisterschaften in diesem Jahr zum ersten Mal in ihrer über 100-jährigen Geschichte auf dem afrikanischen Kontinent statt.
Die Austragung in Ruanda steht aber seit geraumer Zeit in der Kritik, insbesondere aufgrund der Einmischung Ruandas in den militärischen Konflikt in Kongo-Kinshasa. Swiss Cycling hat im vergangenen Oktober mit einer Delegation das Austragungsland besucht.
Positiver Gesamteindruck mit abenteuerlichen Abstechern
Tino Eicher war als Delegationsleiter mit dabei. Das Besichtigen der Strecke gestaltete sich schwieriger als gedacht. «Sie wollten uns die Strecken zeigen, doch wir sind mehrere Male falsch abgebogen.» Nach einiger Zeit sei ihnen klar geworden: Die Verantwortlichen des ruandischen Verbandes wissen nicht genau, wo die Strecke entlangführt.
Ansonsten sei man bei Swiss Cycling positiv überrascht gewesen. Neben dem Hotel stach besonders die Qualität der Strassen heraus: «In Italien können sie von solchen Strassenbelägen ohne jegliches Loch nur träumen», sagt Eicher.
Die Leute freuen sich extrem, dass die Radsportwelt zu ihnen ins Land kommt.
Eine Schwachstelle haben die Strassen von Ruanda allerdings. Denn sobald die mit chinesischem Asphalt gebauten Strassen nass werden, wird dieser aufgrund des Blütenstaubs sehr rutschig. So musste die Schlussetappe an der diesjährigen Tour du Rwanda, der landeseigenen Rundfahrt, infolge starker Regenfälle abgesagt werden. Bleibt also zu hoffen, dass das Wetter an der WM trocken bleibt.
EU-Parlament fordert Absage
Kritische Stimmen zur Weltmeisterschaft in Ruanda gibt es dennoch. Dies hauptsächlich, weil Ruanda die in der Demokratischen Republik Kongo aktive Rebellenmiliz M23 unterstützt und so Teil eines militärischen Konflikts ist. Die Frage stellt sich, ob die Durchführung eines solchen Anlasses unter diesen Umständen vertretbar ist.
Das EU-Parlament hat dazu eine klare Meinung und fordert den WM-Entzug gegen das afrikanische Land. Swiss Cycling-Geschäftsführer Thomas Peter erinnert aber an die Bevölkerung Ruandas: «Für sie wäre es ein heftiger Stoss vor den Kopf, wenn man ihnen diese WM entziehen würde», sagt Peter.
Der Radsport-Weltverband UCI scheint ebenfalls kein Interesse daran zu haben, die WM fünf Monate vor dem Start neu zu vergeben. UCI-Präsident David Lappartient wischte Anfang März Alternativen wie eine Verlegung vom Tisch, da es keinen Plan B gebe.
Begeisterung in der Bevölkerung
Auch wenn die Rad-WM derzeit mit vielen politischen und organisatorischen Fragezeichen behaftet ist, steht eines fest: Die Begeisterung der Bevölkerung für den Radsport ist ungebremst. Das stellte auch Eicher bei seinem Aufenthalt fest: «Die Leute freuen sich extrem, dass die Radsportwelt zu ihnen ins Land kommt.»
Tatsächlich hat der Radsport in Ruanda einen hohen Stellenwert. «Der Radsport ist neben Fussball die wichtigste Sportart des Landes», sagt Eicher. Die Leute würden teilweise in mehreren Reihen am Strassenrand stehen, um die Rennen mitzuverfolgen.
Bevor die Radprofis am begeisterten Publikum am Strassenrand vorbeiradeln können, werden sich die Organisatoren weiterhin auf Gegenwind einstellen müssen. Dennoch häufen sich auch die Anzeichen, wonach die erste Rad-Weltmeisterschaft in Afrika ein Erfolg werden könnte.