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Zurbriggen zu Odermatts Rekord «Bin überzeugt, dass Marco einer der Besten aller Zeiten wird»

34 Jahre dauerte es, bis Pirmin Zurbriggen nach seinem Rücktritt im Jahr 1990 als erfolgreichster Schweizer Skirennfahrer abgelöst wurde. Marco Odermatt holte am Sonntag in Alta Badia den 41. Weltcupsieg. Ein Meilenstein, den Zurbriggen schon länger hat kommen sehen. Wieso Odermatt ein würdiger Nachfolger ist und was er dem Nidwaldner noch zutraut, verrät der Walliser im SRF-Interview.

Pirmin Zurbriggen

ehemaliger Skirennfahrer

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Pirmin Zurbriggen ist einer der erfolgreichsten Skirennfahrer aller Zeiten. Der 61-Jährige hat einen Olympiasieg (Calgary, 1988), vier Gesamtweltcup-Siege und vier Weltmeister-Titel in seinem Palmarès, dazu 40 Weltcupsiege. 1990 trat er vom Skizirkus zurück. Seither führt Zurbriggen mehrere Hotels im Wallis.

SRF Sport: Pirmin Zurbriggen, nehmen Sie die erste Frage mit einem Augenzwinkern: Haben Sie gerne «die Zwei auf dem Rücken»?

Pirmin Zurbriggen: (lacht) Als Sportler hat man das nie gerne gehabt. Nachher wird man da aber realistischer und weiss, dass die Zwei auch gut ist.

Sie sind seit Sonntag nicht mehr der erfolgreichste Schweizer Skifahrer der Geschichte. Wie nahmen Sie dies zur Kenntnis: Mit Wehmut oder aber Freude für Odermatt?

Ich freue mich. Es gab da ja sozusagen eine Vorbereitung. Man hat schon lange gesehen, dass Marco das Potenzial hat, mehr Siege heimzutragen als ich. Da habe ich mit Spannung zugeschaut. Was mir an Marco neben seinen Fähigkeiten vor allem Freude macht, sind sein Charakter und seine Einstellung. Er ist menschlich beispielhaft, das ist wunderschön.

Haben Sie das Rennen verfolgt?

Auf jeden Fall. Ich schaue fast jedes Rennen. Am Sonntag war es so spannend zu sehen, welche Fähigkeiten Marco zeigte. Das war fantastisch. Bei schwierigen Verhältnissen, wo man jederzeit Fehler machen kann, schaffte er es, am Limit zu fahren. So, dass die anderen fast denken müssen: ‹Wenn wir nicht einen perfekten Lauf haben, sind wir chancenlos gegen Marco.›

Hatten Sie schon Kontakt mit Odermatt?

Nein, noch nicht. Ich denke, ich treffe mich irgendwann mit Marco und seiner Familie, damit ich diesen Sieg gebührend anerkennen und ihm herzlich gratulieren kann. Was ich ihm wünsche, und das habe ich ihm auch schon gesagt: Ich bin überzeugt, dass Marco über 50 Siege erreichen kann. Er ist noch gesund, er hat das Potenzial.

Warum ist Odermatt ein würdiger Nachfolger?

Ihn macht vor allem auch der Charakter aus. Ich habe Marco durch meinen Sohn kennengelernt, die beiden teilten früher oft ein Zimmer. Schon da konnte ich sehen, wie Marco mit erfolgreichen Momenten und schwierigen Situationen umgeht. Ich glaube, das ist das Allerwichtigste: am Boden bleiben und auch wahrnehmen, dass die anderen rund um dich grosse Leistungen vollbringen. Marco macht das sehr gut. Seit Marco im Team ist, ist dieses so gut, wie man es selten gesehen hat. Jeder weiss: ‹Wenn ich im Training mit ihm mithalten kann, dann kann ich auch im Rennen vorne dabei sein. Er ist ein unheimlicher Gradmesser.›

Was trauen Sie ihm noch zu? Was hat er noch in petto?

Die Grundvoraussetzung ist immer, dass der Körper mitspielt und er gesund bleibt. Dann bin ich überzeugt, dass Marco einer der weltweit besten Skifahrer aller Zeiten wird. Ich glaube nicht ganz, dass er Ingemar Stenmark (86 Weltcupsiege) abfangen kann, aber ich glaube, er ist imstande, die Nummer 2 zu werden.

Sie haben es angesprochen: In Bezug auf die Anzahl Siege hat er nun noch 5 Legenden vor sich: Marc Girardelli (46), Alberto Tomba (50), Hermann Maier (54), Marcel Hirscher (67) und eben Stenmark (86). Sie denken, Hirschers Marke ist realistisch?

Hierzu muss ich sagen: Er hat das Glück, dass er sich auf drei Disziplinen fokussiert. Um langfristig dabei zu sein, ist das wahrscheinlich der Schlüssel. Ich bin 5 Disziplinen gefahren. Das hat den Körper extrem gefordert. Das ist eine unheimliche Belastung. Davon bleibt Marco ein bisschen verschont. Daher glaube ich auch, er kann die Nummer 2 werden. Würde er alle Disziplinen fahren, würde es schwer werden. Das ging mir damals gleich. Hätte ich mich auf weniger Disziplinen fokussiert, hätte ich es vielleicht auch ein bisschen länger gemacht.

Nach Ihrem Rücktritt 1990 dauerte es 34 Jahre, bis Sie die Nummer 1 loswurden. Hätten Sie gedacht, dass Sie so lange führend bleiben?

Ich habe immer gewusst, es müssen viele Dinge stimmen, um das zu schaffen. Aus diesem Grund habe ich auch viel Jugendarbeit gemacht. Ich habe das bewusst gefördert, weil ich wusste, wie schön es ist, vorne mitzumischen, aber auch dass alles zusammenpassen muss, dass wir eines Tages wieder so eine Erfolgsphase haben. Mir macht es Freude zu sehen, wie diese Jugendarbeit gefruchtet hat. Man sieht, dass alles möglich ist, wenn man etwas dafür tut.

Gestern wurde kurzzeitig noch an der Rangordnung gezweifelt, da Sie auch noch ein Parallel-Rennen gewannen, das aber nicht offiziell als Weltcup-Rennen erfasst ist. Das spielt für Sie keine Rolle, oder?

Das spielt gar keine Rolle. Ich rechne auch nicht damit, dass es bei 41 Siegen bleibt. Dass ich da einmal ein Parallel-Rennen gewonnen habe, das nicht zum Weltcup zählte, ist absolut irrelevant. Ich freue mich für Marco und dass er noch einige Rennen gewinnen kann. Er ist sicher der grösste Skifahrer, den es in der Schweiz je gegeben hat.

Das Gespräch führte Jan Andrin Stolz.

SRF zwei, sportlive, 22.12.24, 13:15 Uhr ; 

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