Landesweites Skifieber lösten die TV-Livebilder der Abfahrten mit Bernhard Russi und Roland Collombin ab 1972 aus. Ein Zeitzeuge erinnert sich: «Die Leute kamen am Mittag nach Hause, um die Heldentaten unserer Skifahrer zu begiessen!»
Autogramme auf Brust und Po
Gegensätzlicher hätten die beiden Helden kaum sein können. Russi galt als seriöser Typ und idealer Schwiegersohn. Collombin hingegen liebte das Nachtleben. Er habe bei vielen Mädchen sein Autogramm auf Brüsten und Pos platziert, sagte er später.
Grossanlässe als Sprungbrett
Russi war 1970 überraschend Abfahrts-Weltmeister geworden und hatte eine Schweizer Ski-Euphorie entfacht. Als er 1972 als Favorit an die Olympischen Spiele nach Sapporo reiste, war der drei Jahre jüngere Collombin nur als Ersatzfahrer im Schweizer Kader.
Doch Collombin fuhr im Training mehrfach Bestzeit und zählte plötzlich auch zu den Favoriten. Über die Geburtsstunde ihre Rivalität sagt Russi: «Ich empfand einen immensen Druck, denn gegen Fahrer aus dem eigenen Team zu verlieren, ist immer besonders schmerzhaft.»
Jahre der Schweizer Dominanz
Wie intensiv die Rivalität sein würde und wie jäh und tragisch sie dereinst enden sollte, könnte aber noch niemand ahnen. Vorerst folgte 1972/73 eine Saison voller Schweizer Siege. Von den acht Abfahrten gewann Collombin vier, Russi stand zweimal zuoberst auf dem Podest.
Im Jahr darauf gewann Collombin wieder vier Abfahrten, und in den übrigen drei Rennen wurde er zweimal Zweiter. Russi stand in diesem Winter nur einmal als Dritter auf dem Podest. Seine Krise wollte er mit Trainingseifer überwinden, doch stattdessen verlor er jegliche Lockerheit.
Rennlust dank Zimmermädchen
Collombins Lockerheit hingegen war legendär und verhalf ihm auch zum Sieg auf der Streif in Kitzbühel. Nach miesen Trainings wollte er nicht starten, fuhr dann aber im Rennen allen davon. Das Zimmermädchen im Hotel habe ihn auf die Beine gebracht, hiess es. Collombin dementierte diese Gerüchte nicht, verriet aber keine Details.
Es sollte die letzte Abfahrt sein, die der Romand beendete. Kurz darauf stürzte er bei der WM in St. Moritz als Topfavorit, und gleiches widerfuhr ihm zu Beginn der nächsten Saison. Weil er sich dabei die Wirbelsäule verstauchte, verpasste er den ganzen Rennwinter.
Eine fatale Bodenwelle
Genau ein Jahr später stand wieder das gleiche Rennen in Val d'Isère auf dem Programm. Im ersten Training fuhr Collombin stark und meinte zu Franz Klammer, dem neuen Dominator in der Abfahrt: «Franz, du hast Angst, ich weiss das.» Der Österreicher antwortete lachend: «Aber nicht vor dir!»
Bald darauf verging allen das Lachen. Colombin stürzte an der gleichen Stelle wie im Vorjahr, doch nun drohte ein Leben im Rollstuhl. Die üble Diagnose:
- 11. Wirbel vollständig zerdrückt
- Ganze Wirbelsäule seitlich um rund 2 cm verschoben
Bernhard Russi gewann derweil 1976 in der Olympia-Abfahrt die Silbermedaille, wie Collombin vier Jahre zuvor. Im Februar 1978 trat Russi aus heiterem Himmel zurück. Er kam auf total acht Weltcup-Siege in der Abfahrt – genau gleich viele wie Collombin.
Collombin wiederum hatte Glück und verliess das Spital nach monatelanger Rehabilitation vollkommen genesen. Während Russi als Werbefigur, TV-Experte und Pistenbauer in der Öffentlichkeit blieb, führt Collombin in Martigny ein kleines Restaurant.