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Demenz: Wann ist das Heim die Lösung?
Aus Puls vom 08.05.2023.
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Angehörige am Limit Demenz: Wann ist das Heim die Lösung?

Einen geliebten Menschen in ein Pflegeheim zu geben, fällt unglaublich schwer. Doch die Erfahrung zeigt: Der Heimeintritt kann eine Wende zum Guten sein – den Angehörigen Entlastung bringen und die schwierige Beziehung zur kranken Person entspannen.

Silvia Hunziker strahlt jedes Mal, wenn sie ihren Mann sieht. Seit einigen Monaten ist die Demenzkranke im Pflegeheim. Hans Hunziker besucht sie regelmässig. Für ihn ist klar: «Es war der richtige Entscheid, Silvia nicht länger zu Hause zu betreuen.» Seine Befürchtung, sie könnte ihn nach dem Heimeintritt nicht mehr erkennen, erwies sich als unbegründet.

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Hans Hunizker sieht seine Frau zwei Wochen nach dem Heimeintritt das erste Mal wieder
Aus Puls vom 08.05.2023.
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Den Tag, an dem er seine demenzkranke Frau ins Pflegeheim brachte, wird Hans Hunziker allerdings nicht mehr vergessen: «Ich musste meine Frau mit Nachdruck aus dem Auto holen und wie ein Kind hinter mir herziehen, während sie mir Vorwürfe machte», erzählt der 70-Jährige mit Tränen in den Augen. Ein Trost war nur, dass das Pflegepersonal seine Frau und ihn umsichtig in Empfang nahm.

Zahlen und Fakten zur Demenz

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  • In der Schweiz leben etwa 150'000 Menschen mit einer Demenzerkrankung. Die häufigste Form ist die Alzheimer-Demenz, bei der Nervenzellen schleichend absterben. Auch kleinste Schlaganfälle können zum Absterben von Hirnzellen führen.
  • Oft treten Demenzerkrankungen erst nach dem 65. Lebensjahr spürbar auf. Frauen sind etwas häufiger betroffen als Männer.
  • Meistens leben Betroffene fünf bis zehn Jahre oder sogar länger mit ihrer Krankheit. Es gibt seltene Demenzformen, die rascher fortschreiten.
  • Basis-Abklärungen sind in der Hausarztpraxis durchführbar, gründliche Untersuchungen in einer Memory Clinic.
  • Zwei Drittel der Demenzkranken wohnen zu Hause, oft betreut von Angehörigen.
  • Ein Drittel lebt in Heimen: in normalen Pflegeheimen, Demenzabteilungen oder speziellen Demenzzentren. Die Kantone führen Pflegeheimlisten, die auch auf Demenzabteilungen hinweisen.

Quelle: Alzheimer Vereinigung Schweiz

Betreuung bis ans Limit

Dem Heimeintritt demenzkranker Menschen gehen oft dramatische Jahre voraus. Silvia Hunziker bekam ihre Demenz-Diagnose zwei Monate vor der Pensionierung ihres Mannes: «Das war wie ein Hammerschlag. Eine Welt brach zusammen», sagt Hans Hunziker.

Rückblickend sieht er: Die ersten Anzeichen gab es bereits vor rund zehn Jahren. Seine Frau hatte auf einmal Mühe, Gesprächen zu folgen. Was sie kochte, wurde ungeniessbar. Manchmal wurde sie plötzlich aggressiv und wusste am nächsten Tag nichts mehr davon.

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Demenz beeinträchtigt jeden Lebensbereich
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Silvia Hunzikers Ehemann trug mit der Zeit nicht nur die ganze Last des gemeinsamen Haushalts, sondern richtete auch seinen Alltag völlig nach ihrer Demenz aus. Er sorgte für seine immer unselbständiger werdende Frau. Sie allein zu lassen, wurde riskant, denn sie ging auch orientierungslos aus dem Haus.

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Hans Hunziker: «Natürlich schaut man füreinander, aber die Betreuung wurde schon zu einer immer grösseren Last»
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Eine Haushaltshilfe hätte für Entlastung sorgen und eine längere Betreuung zu Hause ermöglichen können. Sie wurde von seiner kranken Frau aber nicht akzeptiert. Das Zusammenleben war angespannt, die Situation nicht mehr zu meistern. Hans Hunziker kam ans Ende seiner Kräfte – und zur Einsicht, dass die Zeit reif war für den Heimeintritt.

Herausforderung Heimentscheid

«Der Heimentscheid ist ein schwieriges und sehr angstbefrachtetes Thema für Angehörige», weiss Irene Leu. Die Expertin für Demenzpflege erklärt: «Den Erkrankten fehlt meist das Bewusstsein für ihren Zustand. Also müssen Angehörige den Heimentscheid über ihren Kopf hinweg fällen.»

Angehörige quälen sich mit schlechtem Gewissen und dem Gefühl, zu versagen. Es drohen Schuldzuweisungen und Konflikte. Es ist zudem schwierig, nach jahrelanger Fürsorge loszulassen – den demenzkranken Menschen, der abhängig und unselbständig ist, in fremde Hände zu geben. Ein radikaler Bruch, oft nach jahrzehntelangem Zusammenleben.

Die Versuche, seiner Frau den bevorstehenden Wechsel zu erklären, waren auch bei Hans Hunziker fruchtlos: «Sie hat das überhaupt nicht begriffen.»

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Hans Hunzikers schwerster Moment: «Silvia wollte auf dem Parkplatz des Pflegeheims nicht aussteigen – ich musste sie aus dem Auto herausnehmen»
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Frühzeitig mit Heimfrage befassen

In der Schweiz gibt es inzwischen in jedem Kanton Pflegeheime mit Demenzabteilungen oder Demenzzentren. Heimleiter Urs Schenker empfiehlt, sich rechtzeitig um die Heimfrage zu kümmern: «Leider befassen sich viele Angehörige erst spät mit dem Thema Heimeintritt. Früher wäre eindeutig besser als ein Notfall-Szenario.» Denn nicht selten erfolgen Heimeintritte überstürzt, nach einem medizinischen Notfall der Demenzkranken – oder ihrer betreuenden Angehörigen.

Hilfreich kann auch ein fliessender Übergang sein: Manche Heime führen Tagesstätten, bieten Übernachtungen zur Entlastung oder Ferienbetten an. Solche Angebote zu nutzen, macht einen späteren Heimeintritt weniger einschneidend.

Wissenswertes zu Heimkosten

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Im Pflegeheim fallen unterschiedliche Kosten an. Der Gesamtbetrag beträgt oft rund 9000 Franken pro Monat. Davon tragen die Bewohnenden etwa zwei Drittel, das können 6000 Franken oder mehr sein.

  • Pflegekosten: Pflegekosten tragen zu verschiedenen Anteilen Krankenkassen, Bewohnende, öffentliche Hand.
  • Pensions- und Betreuungskosten: Kosten für Hotellerie und Betreuung müssen die Bewohnenden übernehmen. Der hohe Betreuungsbedarf Demenzkranker fällt ins Gewicht.

Finanzielle Unterstützung:

  • Stark Demenzkranke haben Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung der AHV. Merkblatt
  • Übersteigen Heimkosten die persönlichen Mittel, besteht ein Anspruch auf Ergänzungsleistungen zur AHV. Beim Vermögensverzehr gibt es Freibeträge für Alleinstehende, Verheiratete und Wohneigentum. Merkblatt | Berechnungstool

Quelle: Heimverband Curaviva

Empfehlenswert ist, sich schon vor der akuten Situation mit finanziellen Fragen zu beschäftigen, denn die Kosten eines Heimaufenthalts sind beträchtlich.

Geeignetes Heim finden

Die Heimwahl erfolgt idealerweise gut informiert. Es hilft, sich im Bekanntenkreis umzuhören, Informationen im Internet abzurufen, auf Demenz-Konzepte zu achten. Allerdings garantiert eine schöne Homepage noch keine demenzgerechte Betreuung. Darum rät Irene Leu: «Angehörige sollten noch vor einem Heimeintritt ein Gespräch verlangen, Heime besichtigen – und auch aufs Bauchgefühl hören.»

Welches Heim für wen passt, hängt auch von individuellen Faktoren ab. Nicht in jedem Fall benötigen Menschen mit Demenz eine Spezialabteilung. Auch ein reguläres Pflegeheim kann bereits ein passender Ort sein. Wer aber mehr Betreuung benötigt oder das Risiko hat, sich orientierungslos zu verirren, ist in einer spezialisierten Institution am besten aufgehoben. Oft kommt man zuerst auf eine Warteliste, muss sich aber rasch entscheiden, sobald ein Platz frei wird.

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Tipps der Pflegeexpertin zur Heimsuche
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Schwierige Suche für schwere Fälle

Was nicht zu beschönigen ist: je schwieriger die Demenzform, desto schwieriger in der Regel auch die Heimsuche. Sind Heimstrukturen überfordert, droht ein Hin und Her zwischen Heim und psychogeriatrischer Klinik.

Das kann Nathalie De Febis bestätigen. Ihr Mann erkrankte früh an einer seltenen Demenzform, die sein Verhalten und seine Persönlichkeit sehr auffällig machte. Ihre Erfahrung: «Die Heimsuche war ein Spiessrutenlauf!» Nur durch eine stiftungsfinanzierte Ausnahmelösung fand ihr Mann schliesslich doch noch einen Heimplatz.

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Luca De Febis' Odyssee durch die Institutionen
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Hans Hunziker informierte sich online und vor Ort über vier verschiedene Pflegeheime. Ein erstes Heim hatte keine Demenzabteilung, zwei nächste führten lange Wartelisten. Schliesslich wählte er ein Pflegeheim in der Region, das ihm einen guten Eindruck machte und einen Platz in einer Demenz-Wohngruppe in Aussicht stellte.

Angehörige bleiben wichtig

Angehörige bleiben auch nach dem Heimeintritt die wichtigsten Bezugspersonen der Demenzkranken. Darum ist ihr Vertrauen in die Heimlösung entscheidend. «Es ist zentral, dass sich Angehörige vom Personal einbezogen fühlen und auch über Probleme informiert werden», betont Irene Leu.

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Unzufriedenheit mit der Heimsituation nicht einfach akzeptieren, sondern ansprechen
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Die Demenz schreitet voran

Bei Hans Hunziker stimmt die Vertrauensbasis. Er ist überzeugt von seinem Entscheid: «Silvia ist in ihrem Heim besser betreut als zuletzt zu Hause.» Seine Frau hat Gesellschaft und professionelle Pflege, Hans Hunzier hat wieder mehr Lebensqualität. Traurig ist für beide jedes Mal das Abschiednehmen nach seinem Besuch. Dann will Silvia noch immer mit ihrem Mann nach Hause gehen und er weiss es sehr zu schätzen, wenn in diesen schwierigen Momenten eine Pflegefachkraft seine Frau ablenkt.

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Der Abschied fällt jedes Mal schwer
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Silvia Hunzikers Demenzkrankheit bleibt einschneidend. Sie schreitet voran, das lässt sich nicht ändern. Aber Hans Hunziker sagt, der Heimeintritt habe ihre Beziehung entspannt: «Wir lachen jetzt auch wieder zusammen, erleben schöne und auch liebevolle Augenblicke.» Er zieht nach dem Heimeintritt eine positive Bilanz für sich und seine Frau. Regeln muss er nur noch die finanziellen Fragen, die der Heimeintritt mit sich bringt.

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Hans Hunziker zieht eine positive Bilanz für sich und seine Frau
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Puls, 08.05.2023, 21:05 Uhr

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