«Bye Kaffee, bye Anxiety» oder «Wie ich meinen Darm in drei Wochen heilte»: Tiktok ist in den vergangenen Monaten zur Bühne für Verdauungsoptimierung geworden – mit Kids, die Algen als Mikrobiom-Wunder, und fermentierten Kokosjoghurt als probiotischen Heilsbringer feiern.
Doch 2025 wissen wir: Zwischen viralen Ernährungshypes und wissenschaftlicher Evidenz klafft oft eine Lücke. Welche Trends sind tatsächlich gut für den Darm – und welche nur gut inszeniert? Wir haben nachgefragt.
Aber: Warum sollten wir uns überhaupt um unsere Darmgesundheit kümmern? «Weil sie neben der Verdauung, auch Immunsystem und Psyche beeinflusst», so Timur Liwinski, der an den Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel zum Einfluss der Ernährung auf die psychische Gesundheit forscht.
Was der Darm alles kann
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Etwa 70 Prozent unseres Immunsystems befinden sich im Darm. Ein ausgewogenes Mikrobiom unterstützt die Immunabwehr und schützt vor Entzündungen. Eine Studie des «National Institutes of Health» (NIH) etwa zeigt, dass ein vielfältiges Mikrobiom das Risiko für Autoimmunerkrankungen verringern kann (Belkaid & Hand, 2014).
Der Darm kommuniziert direkt mit dem Gehirn über die «Darm-Hirn-Achse». Eine gestörte Darmflora wurde mit depressiven Symptomen in Verbindung gebracht. In einer Studie zeigte sich, dass eine gestörte Mikrobiota das Risiko für psychische Erkrankungen wie Depressionen erhöht (Valles-Colomer et al., 2019).
Ein gesundes Mikrobiom hilft, chronische Erkrankungen wie Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu verhindern. Forschende fanden heraus, dass eine ballaststoffreiche Ernährung das Mikrobiom unterstützt und das Risiko für diese Erkrankungen senkt (Zhao et al., 2018).
Schauen wir uns die «Heilmethoden» genauer an:
Einige Tiktoker löffeln täglich Sea Moss und fermentierten Kokosjoghurt. Sea Moss, auch Carrageen-Alge genannt, liefert Nährstoffe wie Vitamin A, K und Zink, was die Haut zum leuchten bringen soll. Die fermentierte Kokosnuss unterstütze die Darmbakterien.
Exotisch klingende Lebensmittel wie Sea Moss ziehen Aufmerksamkeit – und genau das wird für bezahlte Werbung genutzt.
Achja? «Für mich ist das ein klassischer Fall der vermeintlichen Superkraft von Superfoods», so Timur Liwinski. Dass einzelne Lebensmittel Wunder wirken, klingt verlockend. So einfach ist es aber nicht.
Ein Löffel reicht da nicht
Es gebe durchaus Studien, die zeigen, dass Fermentation positive Effekte auf den Darm haben könne. «Aber wenn es um Versprechen wie schöne Haut oder ‹optimale› Darmgesundheit geht – ein ohnehin weit gefasster Begriff –, reicht ein Löffel Algen oder Joghurt nicht aus», so Liwinski.
Viele Influencer hätten auch finanzielle Interessen. «Exotisch klingende Lebensmittel wie Sea Moss erregen Aufmerksamkeit – und das wird für bezahlte Werbung genutzt.» Wäre auch zu einfach gewesen.
Drei Fragen zur «optimalen Darmgesundheit»
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SRF Wissen: Herr Liwinski, was meinen wir eigentlich, wenn wir von einer «optimalen Darmgesundheit» sprechen?
Timur Liwinski: Das lässt sich kaum in einem einzigen Satz zusammenfassen, da viele Faktoren eine Rolle spielen. Entscheidend ist vor allem, dass sich die Darmgesundheit im Alltag bemerkbar macht – und zwar in erster Linie dadurch, dass sich der Bauch einfach wohl anfühlt. Doch genau das ist bei vielen Menschen nicht der Fall. Sie leiden unter Unwohlsein, Völlegefühl, Druckgefühl oder leichten, aber chronischen Schmerzen. Vieles davon fällt unter den sehr weit gefassten Begriff des Reizdarmsyndroms, von dem je nach Studie schätzungsweise fast jeder dritte Mensch betroffen ist.
Jeder dritte? Verrückt. Aber woran erkenne ich eine gesunde Verdauung?
Ein wichtiger Indikator ist die regelmässige, unkomplizierte Darmentleerung und schlicht die Abwesenheit von Beschwerden, die es ermöglicht, sich im Alltag uneingeschränkt anderen Dingen zu widmen. Aber auch einfach das allgemeine Wohlbefinden und eine ausreichende Belastbarkeit im Alltag sind Indikatoren.
Wie zeigt sich denn eine suboptimale Darmgesundheit?
Neben den offensichtlichen Zeichen, wie Durchfall oder Verstopfung (auch im Wechsel), Blähgefühl, Schmerzen und Nährstoffmängel, gibt es auch subtilere Anzeichen für eine suboptimale Darmfunktion, die man nicht sofort wahrnimmt, wie entzündliche Prozesse oder die in der Öffentlichkeit viel diskutierte Störung der Darmbarriere – bekannt als «Leaky Gut Syndrom».
Wobei dieser Begriff nicht unumstritten ist: Die Symptome können sehr unspezifisch sein. Es gibt sogar Studien, die zeigen, dass Menschen mit chronischer Verstopfung langfristig ein deutlich erhöhtes Risiko für verschiedene Erkrankungen, auch für Depressionen, haben. Allerdings gibt es dazu oft stark vereinfachende Vorstellungen, insbesondere die Annahme, dass ein einzelnes Lebensmittel dieses Problem lösen könnte.
«Gut-Health»-Influencerinnen starten gesund in den Tag – und raten davon ab, morgens direkt Kaffee zu trinken. Kaffee auf nüchternen Magen lasse das Stresshormon Cortisol nämlich stark ansteigen – was die Psyche aus dem Gleichgewicht bringen soll.
Schwächen wir morgens mit jedem Schluck unsere mentale Gesundheit? Ernährungsberaterin Sandra Mikail, die einen Podcast zu Darmgesundheit hostet, schlüsselt es so auf: «Koffein erhöht das Cortisol – aber das ist völlig normal.»
Cortisol folgt einem natürlichen Rhythmus: Es steigt morgens an, um uns zu wecken. «Regelmässige Kaffeetrinker erleben keinen Dauer-Peak. Ihr Körper passt sich an. Dass Kaffee auf nüchternen Magen schadet, ist kaum belegt.» Na dann.
Ist Brot böse?
Bleiben wir beim Frühstück: Einige Creators raten, Weizen und Vollkorn zu meiden. Die enthaltenen Anti-Nutrients könnten chronische Entzündungen im Darm fördern. Machen Anti-Nährstoffe unser Zmorge-Brot zum Problem?
«Die Frage ist tatsächlich interessanter, als es scheint. Der Begriff wird wissenschaftlich verwendet. Manche meiden Getreideprodukte wegen dieser Stoffe. Aber das würde ich nicht pauschal empfehlen», so Timur Liwinski.
Vollkornprodukte hätten in westlichen Ernährungsempfehlungen einen hohen Stellenwert und sind auch für viele unproblematisch. «Doch für Menschen mit Insulinresistenz oder anderen Gesundheitsproblemen kann die empfohlene Menge von 200 bis 300 Gramm täglich zu viel sein. Das zeigen auch Studien.»
Forschung zu Anti-Nutrients nicht abgeschlossen
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Die Forschung zu Anti-Nutrients – wie Lektinen oder Trypsin-Inhibitoren – sei, so Timur Liwinski, noch nicht abgeschlossen, aber es gebe wissenschaftliche Hinweise darauf, dass sie die Aufnahme von bestimmten Nährstoffenhemmen und bei einzelnen auch Entzündungen fördern können.
«Wichtig ist, dass es nicht nur darauf ankommt, ob Anti-Nährstoffe vorhanden sind, sondern auch in welcher Menge.» Einige Menschen vertragen geringe Mengen gut, während andere durch den Verzicht auf Getreideprodukte gesundheitliche Vorteile erleben. «Pauschale Empfehlungen zu geben, ist daher schwierig, aber es ist ein Thema, das definitiv mehr Forschung braucht», so der Wissenschaftler.
Im Zweifel auf den Körper, nicht auf Tiktok hören. Sicher ist aber: Es gibt viele untrendige Möglichkeiten, unseren Darm zu stärken.
Sandra Mikail’s Tipps für mehr Darmgesundheit
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«Meine Ernährungstipps sind vielleicht nicht trendig genug für Tiktok, aber sie sind erprobt, getestet und absolut effektiv, um den Darm zu pflegen.»
Fokussiere dich darauf, jede Woche 30 pflanzliche Zutaten zu essen
Obst, Gemüse, Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte, Nüsse und Samen sowie Kräuter und Gewürze sind reich an Ballaststoffen, Antioxidantien und Phytonährstoffen, die deine Darmmikroben nähren und ein ausgewogenes, resilienteres Ökosystem in deinem Verdauungssystem fördern.
Konsumiere mehr Butyrat-produzierende Lebensmittel Butyrat ist eine kurzkettige Fettsäure, die von der Darmmikrobiota durch die Fermentation von Ballaststoffen gebildet wird, insbesondere aus Lebensmitteln wie Gerste, Kichererbsen und Hafer. Butyrat spielt eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung der Darmbarrierefunktion, der Reduzierung von Entzündungen und der Unterstützung der allgemeinen Darmgesundheit.
Iss mehr polyphenolreiche Lebensmittel
Polyphenole sind Pflanzenstoffe, die in bunten Lebensmitteln wie Beeren, grünen Blattgemüsen, dunkler Schokolade, Kurkuma und grünem Tee vorkommen. Diese Verbindungen wirken als Präbiotika, indem sie nützliche Darmbakterien füttern und gleichzeitig entzündungshemmende sowie antioxidative Eigenschaften haben. Polyphenole werden nicht so häufig wie Ballaststoffe diskutiert, sind aber sehr wirkungsvoll für die Darmgesundheit und können die Diversität deiner Darmmikrobiota fördern.
Sei konsistent bei der Zwerchfellatmung Stressmanagement ist entscheidend für die Darmgesundheit, da Darm und Gehirn über die Darm-Hirn-Achse eng miteinander verbunden sind. Die Zwerchfellatmung, auch Bauchatmung genannt, ist ein sehr wenig genutztes Werkzeug, mit dem wir geboren werden. Sie aktiviert die Entspannungsreaktion des Körpers, reduziert Stresshormone und fördert eine optimale Verdauung und Darmfunktion. Integriere regelmässige Zwerchfellatmungsübungen in deine tägliche Routine, um Entspannung zu fördern und die Darmgesundheit zu unterstützen.
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