Wenn Muskeln bewegt werden, werden sie zu kleinen Apotheken: Sie produzieren dann Myokine, heilsame Botenstoffe, die sich positiv auf unsere Gesundheit auswirken: von Diabetes über Herz-Kreislauf bis zu Alzheimer. Myokine wirken gegen jede der grössten Zivilisationskrankheiten.
«Diese Botenstoffe kommunizieren mit dem Rest unseres Körpers», erklärt Wilhelm Bloch. Der Sportmediziner erforscht Myokine an der Sporthochschule Köln. «Das ist auch der Grund, warum Myokine im ganzen Körper und auf jedes einzelne Organ wirken.»
Muskeln, die körpereigene Apotheke
Es gibt Hunderte von Myokinen. Bisher weiss man nur von einem Teil, wie sie genau wirken. Eines davon ist Irisin. Es wandelt ungesunde weisse Fettzellen in braune um, die, statt Energie zu speichern, Energie verbrennen.
Die Folge: Man nimmt ab, hat ein geringeres Risiko für Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Gut erforscht ist auch das Myokin BDNF. Dieser Botenstoff lässt Nervenzellen wachsen und wirkt so gegen neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson.
Für Wilhelm Bloch sind die Muskeln deshalb so etwas wie eine körpereigene Apotheke: «Weil der Muskel über die Myokine mit allen Organen und Geweben kommuniziert, ist das im Prinzip so etwas wie eine Multipille. Myokine wirken letztlich auf den gesamten Organismus und so auch auf praktisch jede Krankheit.»
Mit Bewegung Krebs bekämpfen
Derzeit erforscht Wilhelm Bloch, wie Myokine Krebs bekämpfen können. Dazu radeln Probanden auf Fahrradergometern in verschiedenen Intensitäten. Anschliessend wird ihnen Blut abgenommen und das Blutserum, in dem sich die Myokine befinden, extrahiert.
Das Blutserum wird dann auf verschiedene Tumorzellen aufgetragen. Die bisherigen Forschungsergebnisse zeigen: Es wirkt. Die Behandlung mit Myokinen verlangsamt die Vermehrung der Tumorzellen im Labor deutlich.
Sport, so Bloch, könne Medikamente zwar nicht ersetzen, aber die Prognose von Krebspatienten könne durch regelmässiges Krafttraining deutlich verbessern: «Je nach Tumorart kann das Fortschreiten der Krankheit oder ein Rückfall bei Genesenen um 10 bis 40 Prozent reduziert werden», erklärt Bloch.
Man kann mit Sport die biologische Uhr zwar nicht zurückdrehen, aber man kann sie verlangsamen.
Und die Aktivierung der Muskeln hat noch einen weiteren Effekt. Sie können direkt auf die Gene einwirken. Denn mit zunehmendem Alter werden Gene, die die Tumorbildung unterdrücken, abgeschaltet. Durch regelmässigen Sport bleiben diese Gene länger aktiv und das Krebsrisiko sinkt. «Man kann mit Sport die biologische Uhr zwar nicht zurückdrehen, aber man kann sie verlangsamen», betont Bloch.