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PFAS in den Böden und im Fleisch – wie weiter?
Aus HeuteMorgen vom 06.09.2024. Bild: KEYSTONE/Gian Ehrenzeller
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Umweltverschmutzung durch PFAS Spurensuche: Wie kamen die schädlichen Chemikalien in die Böden?

Fünf Bauernbetriebe im Kanton St. Gallen dürfen das Fleisch ihrer Rinder nicht mehr verkaufen, weil es zu stark mit per- und polyfluorierten Alkylverbindungen (PFAS) belastet ist. Wie kam es dazu?

Die Behörden vermuten, dass die gesundheitsschädlichen Chemikalien im Kanton St. Gallen durch Klärschlamm auf die Felder und Wiesen gelangten. Und die betroffen Rinder nahmen die Stoffe dann über das Gras auf.

Klärschlamm konnte in der Schweiz bis 2006 als Dünger eingesetzt werden. Doch wie kamen die PFAS in den Klärschlamm? «Es gibt verschiedene Wege, aber sie viele Jahre danach zu rekonstruieren dürfte kompliziert sein», sagt Umweltchemiker Martin Scheringer von der ETH.

Abwasser aus den Industriebetrieben

PFAS werden in verschiedenen Industrien eingesetzt. Etwa in der Textilindustrie oder beim Galvanisieren von Metallen. Wenn Abwasser aus solchen Betrieben in die Kläranlagen kommt, können PFAS am Klärschlamm haften bleiben und sich anreichern. Auch die Löschschäume der Feuerwehr sind teils stark mit PFAS belastet. Diese Schäume haben mancherorts lokal die Böden vergiftet. Ausserdem sind sie zum Teil mit dem Löschwasser ins Abwasser geflossen und so ebenfalls in den Kläranlagen gelandet.

Auch die USA hat ein Klärschlamm-Problem

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Die Vergiftung der Böden durch PFAS-Chemikalien ist auch in den USA ein grosses Problem. Klärschlamm wird dort vielerorts bis heute auf die Felder gebracht. Aktuelle Messungen in verschiedenen Bundesstaaten zeigen nun zum Teil sehr hohe PFAS-Werte in den Böden, wie die New York Times berichtet. Nach PFAS zu suchen, sei wie die Büchse der Pandora zu öffnen, wird Nancy McBrady zitiert, vom Landwirtschaftsministerium in Maine.

Und in einem Fall in Süddeutschland schliesslich ist mit PFAS behandeltes Papier mit organischen Resten zusammen kompostiert worden. «So wurden grosse Flächen verseucht», sagt Scheringer. Denn der Kompost wurde von den Bäuerinnen und Bauern im deutschen Rastatt über Jahre auf die Felder gebracht. Heute müssen sie ihr Getreide, Raps, Erdbeeren und Mais regelmässig auf den PFAS-Gehalt testen lassen. Sonst dürfen die Lebensmittel nicht mehr in den Verkauf.

Es wird noch mehr Fälle geben

Für Umweltchemiker Martin Scheringer ist klar: «Es gibt auch an vielen weiteren Orten in der Schweiz Belastungen.» Das zeige schon nur die Landkarte des «Forever Pollution Project». Je mehr man sucht, umso mehr dürfte zum Vorschein kommen.

Die Baubranche ist ebenfalls betroffen

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Nicht nur die Landwirtschaft, auch die Baubranche ist von belasteten Böden betroffen. «Das ist ein grosses Thema bei uns», sagt Lorenz Lehmann, Rechtsanwalt und Mitinhaber der Umweltberatungsfirma Ecosense.

Beim Kauf eines Grundstücks rate er seinen Kundinnen und Kunden als erstes, nach möglichen PFAS-Belastungen zu fragen. Denn wenn beispielsweise im Aushub für eine Überbauung PFAS festgestellt werden, könne das sehr teuer werden. Deponien, welche üblicherweise belastetes Bodenmaterial sammeln, wollten keine PFAS-verseuchten Böden mehr annehmen. Und eine Sanierung sei sehr kostspielig.

In den meisten Kantonen wird sich im Nachhinein aber kaum mehr nachweisen lassen, welche Bauern vor 2006 wie viel Klärschlamm auf welche Felder gebracht haben. Wie lokale Kontaminationen zustande gekommen sind, wird also Detektivarbeit bleiben.

Grenzwerte für Böden werden ein Kompromiss

Der ETH-Forscher Martin Scheringer ist nun vom Bundesamt für Umwelt beauftragt worden, PFAS-Grenzwerte für die Böden vorzuschlagen. «Das ist erstaunlich kompliziert», sagt er, denn letztlich brauche es einen Kompromiss. Wissenschaftlich möchte man zuerst verstehen, wie die verschiedenen PFAS aus den Böden zuerst in die Pflanzen und dann ins Fleisch der Tiere gelange. Dann gelte es einen Grenzwert festzusetzen, der vor gesundheitlichen Auswirkungen schützt.

Eine Kuh weidet auf grünem Boden inmitten vieler Bäume.
Legende: Die Idylle trügt: Proben haben gezeigt, dass auf der Eggersrieter Höhe Bereiche des Bodens mit PFAS belastet sind. Wie der Kanton St. Gallen mitteilt, gebe es noch weitere belastete Böden im Kanton. Das Fleisch der dort weidenden Tiere überschreite die Grenzwerte. KEYSTONE/Gian Ehrenzeller

«Zu tief können wir die Grenzwerte aber nicht legen», sagt Scheringer. Denn die Grundbelastung mit PFAS sei schon überall messbar. «Der Grenzwert muss auch durchsetzbar sein, sprich die Hintergrundbelastung darf nicht höher sein als der Grenzwert.» Für Bäuerinnen und Bauern wird die Festlegung des Grenzwertes von wirtschaftlicher Bedeutung sein. Je nach Höhe bleiben sie künftig auf mehr oder weniger Gemüse, Getreide oder Fleisch sitzen.

HeuteMorgen, 06.09.2024, 6:00 Uhr

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