Haben Sie heute bereits einen Schluck aus einer PET-Flasche getrunken? Dann schwimmen nun vielleicht winzige Plastikteilchen in Ihrem Magen herum. Denn allein beim auf- und zuschrauben des Deckels kann sogenanntes Mikroplastik entstehen.
Das Zeug kann aber auch in Lebensmitteln stecken, etwa in Fischen, Muscheln, Salz oder Honig – und in der Luft.
Das heisst: Wir trinken und essen Mikroplastik und atmen es ein. Wie viel, ist sehr individuell. Schätzungen gehen von 0,1 bis zu fünf Gramm pro Woche aus – fünf Gramm entsprechen etwa einer Kreditkarte.
Und dann?
Vieles davon scheiden wir wieder aus. Ein Teil scheint aber auch im Körper zu bleiben: Im Blut, in der Leber, in der Niere, oder in der Plazenta hat man es schon gefunden. Was das für die menschliche Gesundheit bedeutet, ist bisher jedoch noch unklar.
Ein Grund dafür ist, dass die Forschung dazu noch jung ist. Ein anderer: Mikroplastik zu messen ist eine Suche nach der Nadel im Heuhaufen: «Es ist klein, die Konzentrationen sind gering und es ist chemisch sehr ähnlich wie der Körper», sagt die Materialwissenschaftlerin Alke Fink, die am Adolph Merkle Institut der Universität Fribourg zu Mikroplastik forscht.
Kein Teilchen gleicht dem anderen
Hinzu kommt, dass praktisch jedes Teilchen eine andere Form hat – fast wie Schneeflocken. Zudem gibt es verschiedene Arten von Plastik, die auch noch Zusatzstoffe wie Farbmittel, Flammschutzmittel oder Weichmacher enthalten können. Und: Wie Schwämme können Plastikteilchen Chemikalien oder Schwermetalle aufnehmen und auch Bakterien oder Viren können sich theoretisch auf ihnen ansiedeln.
All das kann beeinflussen, wie sich die Teilchen im Körper verhalten und ob sie potenziell gefährlich sind. Die Forschung zu möglichen gesundheitlichen Effekten von Mikroplastik macht das zu einer Herkulesaufgabe.
Was man schon weiss
Forscherinnen und Forscher behelfen sich mit eigenen Testpartikeln, wo klar ist, wie sie aussehen und was drinsteckt.
Ein Versuch im Darmmodell von einem Team um Alke Finks Kollegin, Barbara Rothen, zeigte: Mikroplastik gelangte nicht in die Zellen. Nanoplastik hingegen – also noch viel kleinere Teilchen –, wurden von den Darm- und Immunzellen aufgenommen. Die Zellen blieben aber unbeschadet. Als Nächstes wollen sie untersuchen, was passiert, wenn die Teilchen Weichmacher enthalten.
Von Weichmachern ist beispielsweise bekannt, dass einige krebserregend sind. Darum sei es auch wahrscheinlich, dass Plastikpartikel mit solchen Stoffen in unseren Zellen Krebs auslösen könnten, sagt der Pathologe und Krebsforscher Lukas Kenner von der Medizinischen Universität Wien. Und zwar dann, wenn sie über Jahre oder Jahrzehnte in den Zellen blieben. Dafür hätten er und sein Team Hinweise gefunden.
Jede Menge Fragezeichen
Bis es klare Antworten gibt und sich vor allem das Risiko von Mikroplastik im menschlichen Körper genauer abschätzen lässt, dürfte es noch eine Weile dauern.
Klar scheint bisher lediglich, dass Mikroplastik nicht akut gefährlich ist. «Aktuell besteht kein Grund zur Sorge, dass wir über die Nahrung oder die Luft zu viel Mikroplastik aufnehmen», sagt die Zellbiologin Barbara Rothen. Zudem könne ein gesunder Mensch viel verkraften. Kranke mit gestörten Darmbarrieren hingegen könnten ein höheres Risiko haben, Teilchen aufzunehmen. Und: Mögliche Langzeitfolgen sind ein grosses Fragezeichen.