So viel Regenwald wie in den 1980er- und 90-er-Jahren wird heute zwar in den Tropen nicht mehr abgeholzt. Doch nach wie vor schrumpfen die grünen Lungen unseres Planeten jährlich etwas mehr.
Von den einstigen uralten Regenwäldern der Erde ist heute nur noch ein Drittel intakt, wie die norwegische Rainforest Foundation mit Daten des Wald-Monitoringprogramms «Global Forest Watch» berechnet hat. Immerhin gibt es einen Lichtblick: Der abgeholzte Regenwald wird nämlich oft nur temporär genutzt. Wenn der Boden zum Beispiel für Bauern und Holzkonzerne nicht mehr genug hergibt, ziehen sie weg. Im verlassenen Land beginnt es wieder zu spriessen.
Jungwälder erholen sich rascher als angenommen
Die so entstehenden Sekundärwälder gedeihen gut. «Heute bedecken sie riesige Gebiete, sie machen mehr als die Hälfte aller Tropenwälder aus», sagt Lourens Poorter von der niederländischen Universität Wageningen.
Was den Ökologen erstaunt: Die Jungwälder entwickeln sich auch punkto Qualität schneller, als man es lange für möglich hielt. «Schon nach 20 Jahren haben sie fast 80 Prozent der Merkmale wieder, die wir typischerweise in alten Regenwäldern finden», hält der Hauptautor einer internationalen Studie im Forschungsmagazin Science fest.
Den rasch fortschreitenden Arten-Verlust in den abgeholzten Primärwäldern können Sekundärwälder aber schlecht kompensieren. Zu lange dauert der Erholungsprozess. Dasselbe gilt für die wichtige Klimaleistung der Regenwälder. Um annähernd gleich viel CO2 aus der Atmosphäre zu holen wie die alten Primärwälder, benötigen die Sekundärwälder rund 80 bis 100 Jahre.
Doch, so betont der an der Studie nicht beteiligte ETH-Ökologe Jaboury Ghazoul:
Um die Klimaerwärmung abzumildern, brauchen wir Massnahmen in den nächsten 20 bis 30 Jahren. 80 bis 100 Jahre sind viel zu spät.
Erholung aus eigener Kraft
Eine durchzogene Bilanz also. Doch was die neue Studie erstmals in dieser Breite sehr klar zeigt, ist Good News: Tropische Regenwälder erholen sich in verlassenen Gebieten schneller als selbst Fachleute noch vor einigen Jahren dachten. Und, so Jaboury Ghazoul: «Sie erholen sich aus eigener Kraft».
«Wir müssen daher keine Bäume pflanzen, um den Regenwald zu retten», ergänzt der ETH-Forscher mit Blick auf die in Westeuropa beliebten Baumpflanzinitiativen. Auch Lourens Poorter hält Aufforstungen nur in intensiv ausgebeuteten Regenwaldgebieten für sinnvoll.
Auch Sekundärwälder müssen geschützt werden
In der Regel gelte: Der Regenwald kommt von allein zurück – wenn wir ihn ungestört wachsen lassen. Der springende Punkt: Aufforstungen würden des Öfteren zulasten der armen lokalen Bevölkerung gehen, die aus dem Gebiet verdrängt wird, erklärt Jaboury Ghazoul. Man dürfe sich nicht wundern, wenn neu gepflanzte Bäume dort Jahre später wieder abgeholzt werden.
Der Ökologe und Experte für Ökosystemmanagement rückt daher eine andere Massnahme in den Fokus: «Die Sekundärwälder müssen ebenso wie die alten Primärwälder in ihrem Gebiet geschützt werden – zusammen mit der lokalen Bevölkerung, verbindlich und langfristig.»
Das erfordert natürlich vor allem politische Entscheide und wirtschaftliches Umdenken. Doch Einzelpersonen können sich ebenfalls engagieren, und sei es auch nur mit etwas anders gelagerten Spenden.