Auf einer Skala von 1 bis 10: Wie gern streiten Sie sich – so ganz grundsätzlich – mit Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin? Liegt die Bereitschaft, einen Konflikt auszutragen, eher im unteren Drittel? Lassen Sie Zoff erst gar nicht entstehen? Dann lassen Sie sich von der Wissenschaft doch zu einer kleinen (!) Zankerei motivieren.
Denn Untersuchungen zeigen, dass richtiges Streiten eine Beziehung retten kann. Aber was heisst «richtig Streiten» überhaupt? Und welche Auswirkungen kann das Falsche haben? Wir haben Paartherapeut Guy Bodenmann – Co-Autor der grössten psychologischen Paar-Langzeitstudie im deutschsprachigen Raum – befragt, und überraschende Zahlen und Fakten gesammelt.
Fakt 1: Wie ein Paar streitet, zeigt, wie gut die Beziehung ist
Hängt unser Konfliktverhalten mit unserem individuellen Temperament zusammen? Klares Nein. Denn jedes Paar hat seine eigene Art zu streiten. Auch die hitzigsten Paare sind in der Lage, mit anderen besonnen zu diskutieren. «Beim Streiten geht es also nicht primär um Kompetenzen, sondern um die Bereitschaft zur fairen Problemlösung», so der Paartherapeut Bodenmann.
Wie wir miteinander umgehen, habe dabei viel mit unseren Beziehungszielen zu tun. Meist gehen die in zwei Richtungen: «Geht es mir in einer Partnerschaft vor allem darum, Nähe zu schaffen? Oder möchte ich vor allem Verletzungen verhindern?», erklärt Bodenmann. Auf den ersten Blick scheinen die Ziele für dasselbe zu stehen: Harmonie. Doch das täuscht.
Denn die Folgen sind unterschiedlich. «Wer Schwieriges und Unangenehmes unbedingt vermeiden möchte, ist konstant in einer inneren Anspannung», so der Paartherapeut. Das führt dazu, dass «vermeidungsorientierte Menschen» angespannter in einen Streit gehen, weil sie auch ihre negativen Gefühle runterschlucken. Sie erwarten eher Kritik, reagieren heftiger auf negative Reaktionen des Gegenübers und haben noch lange nach dem Streit erhöhte Adrenalin- und Cortisonwerte.
Fakt 2: Unser Streitverhalten ändert sich
«Ach, du kleiner Sportmuffel...» Was anfängt mit einem kleinen Seitenhieb, eskaliert Jahre später plötzlich. Aber warum? Abgesehen von der Nähe und Zärtlichkeit die dafür sorgen, dass der Partner oder die Partnerin für uns in einem rosa Licht erstrahlen, sei es die Grosszügigkeit und Toleranz.
Diejenigen, die es schaffen, positiv und grosszügig zu bleiben, haben gute Chancen auf eine lange Beziehung.
«Vielleicht, weil man sich der anderen Person noch nicht sicher ist. Vielleicht weil man sich selber von der besten Seite zeigen will», so Bodenmann. Also verkneift man sich die Kommentare. Je sicherer man sich mit der Partnerschaft fühlt, desto mehr Negativität erlaubt man sich selbst - doch das sei fatal. «Diejenigen, die es schaffen, positiv und grosszügig zu bleiben, haben gute Chancen, auf eine lange Beziehung.»
Fakt 3: Glückliche Paare streiten anders
«Wir konnten in unseren Studien immer wieder feststellten, dass eine Kritik bei glücklichen Paaren stets von mindestens zwei positiven Bemerkungen oder Interaktionen aufgefangen wird», so Bodenmann.
Dass es nervt, dass sie nie die Spülmaschine ausräumt, wird mit einer Geste der Zuneigung abgefedert oder mit einer Bemerkung, über die man schon oft gelacht hat, wettgemacht - die Erinnerung an die erste gemeinsame Wohnung, in der das Abspülen in einer Schaum-Schlacht endete, etwa.
Fakt 4: Es gibt garantierte Beziehungskiller
In seinen Untersuchungen konnte John Gottman vier Verhaltensweisen ausfindig machen, die in der Kommunikation von Paaren besonders toxisch wirken. Er bezeichnet sie als die «vier Apokalyptischen Reiter». Sind mehr als zwei von diesen erfüllt, wird es schwierig für das Paar.