Albträume - Was wir tagsüber für unsere Träume tun können
Verfolgungsszenen, Prüfungsangst oder der Tod eines geliebten Menschen: Gegen Albträume hat die Forschung effektive Übungen und Therapien auf Lager. Nur sind manche noch wenig bekannt.
«Ich wache nachts oft auf und habe das Gefühl, ein Einbrecher befindet sich in meiner Wohnung. Ich fühle mich bedroht und hilflos, bekomme Angst.» Das erzählt Nuria* in einem Beratungsgespräch im neuen Schlafkompetenzzentrum in Bern, das man ohne Anmeldung aufsuchen kann. «Dieser Albtraum wiederholt sich fast jede Woche und das seit Jahren.»
Was wir träumen
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Etwa zwei bis fünf Prozent der Erwachsenen leiden unter Albträumen, Kinder betrifft es häufiger. Zudem können sich Frauen besser an ihre Träume erinnern als Männer und leiden entsprechend auch öfters darunter. Häufig träumen wir in der zweiten Nachthälfte im sogenannten REM-Schlaf, also nach der Tiefschlaf-Phase. Albträume können verhindern, dass wir nachts wieder einschlafen, und sie können uns bis weit in den Tag hinein beschäftigen.
Befragt nach dem letzten Albtraum wurden in einer grossen Umfrage aus Deutschland die folgenden Albtraum-Themen am häufigsten genannt: Misserfolg wie beispielsweise Hilflosigkeit, physische Aggression, Unfälle (auch das häufig benannte Gefühl des Fallens), verfolgt werden und gesundheitsbezogene Sorgen und Tod. Kinder und Jugendliche scheinen häufiger als Erwachsene davon zu träumen, verfolgt zu werden und viele Albträume handeln auch von interpersonellen Konflikten, wie eine kanadische Studie zeigte.
Psychologin Franziska Rudzik erkundet sich nach der Häufigkeit des Albtraums und dem Aufwachmoment. «Wer mitten in der Nacht erwacht und sich gut an Albträume erinnern kann, wird oft durch ein Geräusch oder einem Aussetzer der Atmung geweckt», ergänzt Albrecht Vorster, Schlafforscher und Leiter des Berner Zentrums. Nicht nur intensiv negative Gefühle können uns aus dem Schlaf reissen, sondern auch Strassenlärm, Haustiere oder Schnarchen. Einfach, aber hilfreich: Stille.
Kreative und empathische Menschen besonders betroffen
Nuria berichtet auch von Albträumen, in denen Gewaltszenen vorkommen. «In meinem Alltag erlebe ich aber wenig Gewalt», so die junge Frau. Das erschrecke sie: «Warum träume ich etwas, das nichts mit meinem sonstigen Leben zu tun hat?» Psychologin Rudzik ordnet ein: «Albträume handeln häufig von physischer Aggression – auch weil Aggression einen Aspekt des Menschseins ist, ob wir das nun wollen oder nicht. In der Behandlung biete ich an, zu schauen, ob es nicht doch einen Zusammenhang mit der aktuellen Lebenssituation gibt, der vielleicht erstmal nicht ersichtlich ist.» Dabei gehe es nicht um den konkreten Inhalt, der das Gehirn meist willkürlich wählt, sondern um die Emotionen.
Wer mitten in der Nacht erwacht und sich gut an Albträume erinnern kann, wird oft durch ein Geräusch oder einen Aussetzer der Atmung geweckt.
Generell haben besonders kreative, empathische und sensible Personen öfters Albträume. Menschen mit solchen Persönlichkeitseigenschaften können sich schlechter gegen Stress abgrenzen. Und Stress kann ausschlaggebend für häufige Albträume sein.
Zudem gibt es Hinweise, dass Albträume auch genetisch bedingt sind. Auch Menschen mit Traumata, insbesondere posttraumatischen Belastungsstörungen, leiden oft darunter. «Es gibt aber wenig Daten zu Albträumen und deren Ursachen», räumt der Schlafexperte ein.
Schlafroutine im Urlaub
Wer weniger Albträume haben möchte, müsse seinen Schlafrhythmus genauer unter die Lupe nehmen, sagt Vorster. Stellen Sie sich vor, Sie sind im Urlaub: Wann würden Sie dann zu Bett gehen und am Morgen aufstehen? So kann der individuelle Schlaftyp herausgefunden werden. Nuria geht im Alltag früher ins Bett als in den Ferien. Die Folge: Sie legt sich schlafen, wenn sie noch gar nicht müde ist. Was Eltern wohl nie sagen würden, rät ihr der Experte: «Gehen Sie später schlafen.»
Guter Schlafrhythmus, weniger Albträume
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Regelmässigkeit: Unser Körper ist ein Gewohnheitstier. Wer jeden Tag zur selben Zeit ins Bett geht und zur selben Zeit aufsteht, kann Albträume und Schlafprobleme verhindern. Schlafexperte Albrecht Vorster betont: Diese Regelmässigkeit sollte auch am Wochenende eingehalten werden. Er rät davon ab, am Sonntag lange auszuschlafen. Eine regelmässige Aufstehzeit helfe.
Zu-Bett-Geh-Ritual: Die zwei Stunden vor dem Schlafen sind besonders wichtig. Sie sollten der Erholung gewidmet sein. Zudem hilft es, eine halbe Stunde vor dem Schlaf immer die gleiche Abfolge von Tätigkeiten zu haben, um den Körper darauf einzustimmen. Zum Beispiel: Zimmer lüften, Umziehen, Zähne putzen, Lesen, Licht löschen. Das «Bettmüpfeli» des Experten: Die Atemübung Box Breathing. Das dauert nur ein paar Minuten und geht so: Ruhig und tief durch die Nase einatmen, dabei in Gedanken bis vier zählen. Dann: Die Luft anhalten und in Gedanken langsam wieder bis vier zählen. Schliesslich: Durch den Mund ausatmen und bis sechs zählen. Die Luft anhalten und in Gedanken langsam bis zwei zählen. Diese Abfolge fünf Minuten lang wiederholen.
Zigaretten, Alkohol, Koffein vermeiden: Alkohol entspannt die Rachenmuskeln, sprich man schnarcht eher. Das kann zu störenden nächtlichen Atempausen, fachsprachlich Schlafapnoe, führen. Gut erforscht ist, dass Koffein die Schlafqualität mindert, dann schläft man in der Nacht weniger tief und wacht schneller auf. Auch Medikamente wie Antidepressiva, L-Dopa-Präparate und Antidementia können Albträume verstärken. In diesen Fällen ist es ratsam, ein Arztgespräch zu suchen.
Man kann auch im Wachzustand an seinen Träumen arbeiten, indem man sich damit konfrontiert. Denn wer seine Albträume herunterspielt oder zu vergessen versucht, hält sie damit nur aufrecht. Und das tun viele Betroffene. «Haben Sie Ihren Albtraum aufgeschrieben?», fragt Vorster die Betroffene. Er erzählt von einer Therapiemethode, in der die Betroffenen lernen, ihre Albträume umzuschreiben und sich ein weniger bedrohliches Ende vorzustellen. Das könne die Häufigkeit der schlechten Träume senken.
Unbekannt aber effektiv: Die Imagery Rehearsal Therapie
Konfrontation: Der Albtraum wird in einer Sitzung rekonstruiert und erzählt, allenfalls auch aufgeschrieben. Auch wenn diese Konfrontation belastend sein kann, tritt der Albtraum dadurch oft schon weniger häufig auf.
Albtraum verändern und wiederholen: Anschliessend wird die Geschichte des Albtraums so verändert, dass sie für die betroffene Person als weniger bedrohlich empfunden wird. Die Person stellt sich dann diese neue Traumgeschichte intensiv vor. Über mehrere Wochen wird dies tagsüber wiederholt und somit im Gedächtnis gefestigt. Wenn es klappt, reagiert die Person dann im Schlaf wie tagsüber, und der Albtraum ist gar keiner mehr, sondern nimmt den positiven, eingeübten Verlauf.
Forscher vermuten, dass der Albtraum durch die neue, weniger bedrohliche Geschichte im Gedächtnis überschrieben wird und/oder, dass die Person sich ihren Träumen nicht hilflos ausgeliefert fühlt und mehr Kontrolle über ihre Träume hat.
«Wir sind unseren Träumen nicht ausgeliefert», sagt Vorster am Ende des Gesprächs. Nuria verlässt das Schlafzentrum mit Erkenntnissen und Tipps. Wie wird sie träumen? Laut der Forschung sollte der geträumte Einbrecher weniger oft im Zimmer stehen.
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