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Belastete Psyche Die Pandemie war ein schwerer Schlag für die Seele

Die Corona-Zeit traf Jugendliche und junge Erwachsene besonders hart. Psychisch sind sie bis heute belastet. Doch dahinter steckt nicht allein die Pandemie.

Die Zahlen: Die Befragungen unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen zeigen, dass sie sich während der Pandemie deutlich öfter niedergeschlagen, hoffnungslos, ängstlich oder sehr gestresst fühlten. Jugendliche suchten sich ab 2021 überdurchschnittlich häufig professionelle Unterstützung. Immer mehr junge Menschen gerieten in sehr grosse Not: Anfragen beim Notruf der Pro Juventute wegen Suizidgedanken verdoppelten sich 2021 im Vergleich zu den Jahren vor der Pandemie. Die Fachstelle «Tox Info» beriet zunehmend mehr Menschen wegen Vergiftungsversuchen. Und psychische Probleme – bis hin zu Suizidversuchen – waren 2021 erstmals der häufigste Grund, warum junge Menschen zwischen 10 und 24 Jahren ins Spital eingeliefert wurden.

Zahlen und Daten

Die Gründe: Die Pandemie traf Jugendliche und junge Erwachsene in einer sensiblen Phase ihrer Entwicklung. Aus der Gehirnforschung ist bekannt, dass in diesem Lebensabschnitt ein massiver Umbau des Gehirns stattfindet. Daher reagiert das Gehirn in dieser Zeit sehr sensibel auf Stress, insbesondere auf lange andauernden Stress. Kommt hinzu, dass Kontakte ausserhalb der eigenen Familie gerade während dieser Lebensphase sehr wichtig werden: Junge Menschen werden autonomer, definieren sich neu und orientieren sich dabei stark an ihren Peers. Doch eben diese Kontakte wurden durch die Corona-Massnahmen massiv erschwert oder gar verunmöglicht.

Gehirn im Umbruch

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Während der Jugendzeit geschieht im menschlichen Gehirn ein grundlegender Umbau. Neue Verbindungen entstehen und festigen sich, wenn sie genutzt werden – oder verschwinden andernfalls wieder.

Dadurch lernen Jugendliche komplexere Verhaltensweisen wie beispielsweise, ihre Emotionen zu regulieren. Doch dabei reifen jene Hirnregionen, die eher für Emotionen zuständig sind, etwas schneller als jene Regionen, welche für das rationale Handeln zuständig sind.

Für ein psychisches Wohlbefinden müssen Gefühle und Kognition aber ein Gleichgewicht finden. «Dieses Gleichgewicht spielt sich im Verlauf der Jugendzeit erst ein. Darum nehmen wir an, dass dieser Umbau im Gehirn ein erhöhtes Risiko birgt für eine psychische Erkrankung», sagt Nora Raschle, Assistenzprofessorin am Jacobs Center der Universität Zürich. Sie erforscht als Neuropsychologin die Gehirnentwicklung von Kindern und Jugendlichen.

Das grössere Bild: Untersuchungen in verschiedenen europäischen Ländern und den USA zeigen, dass die psychische Belastung bei den Jugendlichen und jungen Erwachsenen schon seit Ende der Nullerjahre stetig steigt. Wichtige Ereignisse, welche die jungen Menschen seither psychisch belastet haben könnten, sind unter anderem die Finanzkrise von 2007/2008, die Klimakrise, Konflikte und Kriege. Durch die rasche Verbreitung des Smartphones wurden die Ereignisse aus der ganzen Welt ausserdem deutlich präsenter.

Der Einfluss des Smartphones

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Eine junge Frau liegt auf dem Sofa und starrt in ihr Smartphone.
Legende: imago images/Pond5 Images

Wissenschaftlich konnte bisher nicht eindeutig belegt werden, ob das Smartphone einen negativen Einfluss hat auf die Psyche junger Menschen. Einerseits ist gut belegt, wie es junge Menschen belasten kann, wenn sie im «Doomscrolling» versinken oder sich ständig mit geschönten Online-Inhalten anderer Menschen vergleichen. Gleichzeitig geben viele Jugendliche auch an, dass sie es schätzten, via Smartphone einfach mit ihren Freundinnen und Freunden im Austausch sein zu können.

Dirk Richter, Professor für psychiatrische Pflege- und Versorgungssicherheit an der Berner Fachhochschule, fasst die Studienlage so zusammen: «Je umfassender Jugendliche und junge Erwachsene ihr Leben auf Social-Media-Plattformen verbringen, desto negativer sind im Durchschnitt die Auswirkungen.»

Nora Raschle, Assistenzprofessorin am Jacobs Center für die Entwicklung Jugendlicher der Universität Zürich, beschäftigt sich als Neuropsychologin mit der Gehirnentwicklung von Kindern und Jugendlichen. Sie weist darauf hin, dass beim Thema Smartphone Ursache und Symptom nicht verwechselt werden sollten: «Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass psychisch verletzliche Kinder eher soziale Medien nutzen. Das heisst: Wenn die Schuld allein den sozialen Medien zugeschoben wird, übersieht man, dass diese Kinder schon vorher stärker mit psychischen Problemen belastet waren.»

Der Ausblick: Seit kurzem liegen die ersten Studien vor, die das psychische Befinden der jungen Menschen im Jahr 2024 untersucht haben. Resultate aus der Schweiz, Deutschland und den USA zeigen, dass es den Jugendlichen und jungen Menschen heute etwas besser geht als noch in den Jahren zuvor. Aber sie sind psychisch immer noch belasteter als vor der Pandemie.

Aktuelle Studien

Wissenschaftsmagazin, 5.4.2025, 12:40 Uhr

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