In allen europäischen Monarchien erbte bis kurzem immer der erstgeborene Sohn den Thron von seinem Vater. Doch das war nicht immer so. Bei den frühkeltischen Menschen verlief die Erbfolge vermutlich über die mütterliche Linie. Solche matrilinear organisierten Gesellschaften bedeuten, dass Titel und Vermögen über die Mütter an ihre Töchter vererbt wird. Das die Erkenntnisse einer neuen Studie, bei der die DNA von frühkeltischen Menschen untersucht wurde.
Die frühkeltischen Menschen
Die frühe Eisenzeit dauerte in Mitteleuropa von 800 bis 450 v. Chr. Damals lebten Menschen der frühkeltischen Kultur in Teilen Europas. Sie schmiedeten Eisen zu Werkzeugen, Waffen und Schmuck, betrieben Handel und Kriege, beackerten das Land oder waren Teil der Elite.
In der frühkeltischen Kultur galt: Je mächtiger die Person, desto imposanter das Grab und die Grabbeigaben. Den Menschen der fürstlichen Elite wurden Möbel, Prunkwägen, Goldschmuck, Importwaren und umfangreiche Trink- und Speisegefässe beigelegt.
Ein frühkeltischer Grabhügel und Grabbeigaben
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Bild 1 von 4. Die Rekonstruktion eines frühkeltischen Grabhügels. In diesem Grabhügel bei Eberdingen-Hochdorf liegt die Grabkammer des sogenannten Fürsten von Hochdorf. Neben dem Fürsten wurde auch die DNA von drei weiteren Personen dieser Grabstätte, die später darin bestattet wurden, analysiert. Einer davon ist der Urenkel einer Frau, die im über 100 Kilometer entfernten Magdalenenburg begraben liegt. Bildquelle: Landesamt für Denkmalpflege Stuttgart, O. Braasch.
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Bild 2 von 4. Das Zentralgrab des Fürsten von Hochdorf. Eine Visualisierung des Zentralgrabs des Grabhügels bei Eberdingen-Hochdorf. Es zeigt das Grab des sogenannten Fürsten von Hochdorf. In der Studie wurde gezeigt, dass sein Neffe, genauer der Sohn seiner Schwester, im Zentralgrab des in der Nähe liegenden Grabhügels Asperg-Grafenbühl liegt. Also auch ein Fürst. Bildquelle: Landesmuseum Württemberg, Faber Courtial/Thomas Hoppe.
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Bild 3 von 4. Ein imposanter Bronzekessel als Grabbeigabe. Eine der Grabbeigaben aus dem Grabhügel bei Eberdingen-Hochdorf: Ein Bronzekessel mit Löwendekoration mit einem Fassungsvermögen von etwa 500 Liter. Dieser hat eine Höhe von 70 Zentimeter und einen Durchmesser von 1.2 Meter. Bildquelle: Landesmuseum Württemberg, P.Frankenstein/H. Zwietasch.
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Bild 4 von 4. Goldschmuck als Grabbeigabe . Dieser Goldschmuck ist Teil der Grabbeigaben einer Keltin des Grabs bei Ditzingen-Schöckingen. Auch von ihr wurde DNA analysiert. Bildquelle: Landesmuseum Württemberg, H. Zwietasch.
Die fürstliche Verwandtschaft
Für ihre Studie untersuchte das Forschungsteam die DNA in den Zellkernen und die sehr viel kürzere in den Mitochondrien von 31 Personen.
Denn die Mitochondrien werden über die Eizelle der Mutter an ihre Nachfahren weitergegeben. Somit zeigt die mitochondriale DNA gut auf, wer mütterlicherseits miteinander verwandt ist.
Das Team identifizierte mehrere biologisch verwandte Gruppen, die sich über drei Elitegräber erstreckten. Zum Beispiel ein Onkel und der Sohn seiner Schwester, beides Fürsten. Oder eine Urgrossmutter und der Sohn der Tochter ihrer Tochter, also ihr Urenkel, beide auch Teil der Elite.
Das Eindrückliche dieser Urgrossmutter und ihrem Nachfahren – ihre Gräber lagen über 100 Kilometer voneinander entfernt. Genauer in Magdalenenburg und der Urenkel in Hochdorf. Das ist sehr untypisch zwischen eng verwandten Personen dieser Zeit. Doch wo wuchs der Urenkel auf?
Isotopen zeigen Region an
Das lässt sich über die sogenannte Isotopenanalyse sagen. Denn über die Nahrung nehmen Lebewesen chemische Elemente ihrer Umwelt in sich auf. Einige dieser Elemente unterscheiden sich leicht nach Region. So können Forschende bestimmen, in welcher Region ein Mensch gelebt hat.
Die Untersuchung der Isotope zeigt, dass der Urenkel im Raum Magdalenenburg aufwuchs. Also in der Region, wo seine Urgrossmutter begraben liegt. Diese Untersuchungen geben Hinweise darauf, dass die mächtigen Familien dieser Zeit über ein geografisch weitreichendes Netzwerk regierten. Ähnlich wie später adlige Frauen in Königsfamilien wurden wohl damals Söhne der Elite mit Frauen mit einem Fürstinnentitel verheiratet.
Weitreichende mächtige Familien
Diese DNA- und Isotopenanalysen ergeben zwei Erkenntnisse, wenn auch nicht mit hundertprozentiger Sicherheit. Erstens: Reichtum und Macht wurde unter der frühkeltischen Elite möglicherweise in matrilinearen Linien vererbt. Und Zweitens: Die Elitefamilien waren wohl über ein weites geografisches Gebiet verteilt.