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Pangenom-Projekt: Diversität in der Genomforschung
Aus Echo der Zeit vom 11.05.2023. Bild: Imago
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Meilenstein der Humangenetik Ein Pangenom für die ganze Menschheit

Forscher haben ein Pangenom, eine Sammlung aus dem Erbgut von 47 Menschen, geschaffen, welches die Diversität der Menschheit ziemlich gut abdecken kann. Eine grosse Chance, bisher unverstandene genetische Eigenheiten zu entschlüsseln.

Jedes Wissenschaftsprojekt ist eine Teamleistung. Das ist so wahr wie banal. Aber es gibt Wissenschaftsprojekte, bei denen trifft das besonders zu. So bei der grossen Anzahl an Studien, die kürzlich im Fachmagazin Nature publiziert wurden.

Die Forschenden des Human Pangenome Reference Consortium (HPRC) haben erstmals ein sogenanntes Pangenom erstellt. Schon im Namen wird deutlich, wie umfassend diese Arbeit ist. «Pan» steht für alles. Es geht also um die Genome «aller Menschen», und deren Vielfalt.

«Big science in Bestform», sagt eine der beteiligten Forscherinnen, Karen Miga von der Universität von Kalifornien in Santa Cruz. Nur dank der Entwicklungen in der Long-Read-Sequenzierungstechnologie und in computerbasierten Methoden wurde dieses Projekt überhaupt möglich.

Um das menschliche Erbgut zu verstehen, reiche es nicht, nur das Erbgut eines einzigen Menschen zu entziffern, sagt Miga an der Pressekonferenz. «Wer nur das Erbgut eines Menschen untersuche, der verpasse das Spannende: die Unterschiede von Mensch zu Mensch», fügt US-Forscher Benedict Patten von der gleichen Universität hinzu.  

Auf 350 Genome erweitern

Das erste menschliche Erbgut wurde im Jahr 2000 sequenziert. Doch aus einem einzigen entschlüsselten Genom lässt sich nur begrenzt Wissen ziehen. Das Pan-Genom-Projekt hat hingegen 47 äusserst vollständige menschliche Genome vorgestellt, die untereinander verglichen werden können. 

«Diese 47 sind so gewählt, dass sie die genetische Vielfalt des Menschen weltweit ziemlich gut abdecken – jedenfalls sehr viel besser als alles, was es bisher gab», sagt Eric Greene vom National Institute of Health. Geplant ist, das Projekt auf 350 Genome auszuweiten.

Komplexe Krankheiten besser verstehen

Schon heute erlebt jeder, der zum Beispiel an Krebs erkrankt, wie präsent Genetik inzwischen in der Medizin ist. Krebszellen von Patienten werden genetisch charakterisiert und im Erbgut des Patienten selbst wird auch nach Risikofaktoren gesucht. Doch, für jemanden, der sich auskennt, ist klar: Hier werden nur vergleichsweise simple genetische Muster als Informationsquelle genutzt.  

Aber es gibt eben auch komplexe genetische Muster, von denen man bisher zwar weiss, dass sie relevant sind, aber verstanden und damit medizinisch nutzbar sind sie noch nicht.

Evan Eichler von der University of Washington Medical School in Seattle nennt ein Beispiel: «Ein Gen, das für das Immunsystem wichtig ist, und gleichzeitig ein bekannter Risikofaktor für Schizophrenie.» Hier weiss man bisher nur, dass die Veränderungen, die die Funktion dieses Gens beeinflussen, so komplex sind, dass sie bisher nicht entschlüsselt werden konnten. Mit dem Pangenom, das die Vielfalt der Varianten insgesamt besser abdeckt, wird es, so die Hoffnung, leichter.

Was sind Referenzgenome?

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Referenzgenome funktionieren wie eine Art Blaupause, mit denen man als Forscher Genome, die man gerade untersucht abgleicht, um zum Beispiel Unterschiede oder charakteristische Eigenheiten zu finden. – Und das heisst auch: Jede Forschung ist nur so gut, wie das Referenzgenom, mit dem man arbeitet. Viele nutzen bisher die 2000 sequenzierten menschlichen Genome. Das Pangenom-Projekt liefert jetzt eine sehr viel bessere Alternative.

Echo der Zeit, 11.05.2023, 18:00 Uhr

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