Mit 196.2 Millionen gestreamten Stunden in der ersten Woche knackt die neue Crime-Serie «Monster: The Jeffrey Dahmer Story» sämtliche Rekorde – zählt damit also zum Erfolgreichsten, was der Streamingdienst in den vergangenen Jahren produziert hat.
Der grauenvolle Plot um Jeffrey Dahmer, einem US-Serienmörder, der die Köpfe seiner Opfer ins Gemüsefach legte und ihre Herzen ass, beruht auf wahren Begebenheiten – und klingt nicht nach etwas, das man sich freiwillig ansehen möchte. Aber warum tun es dann so viele? Was fasziniert und fesselt uns an True Crime? Die Wissenschaft liefert Erklärungsansätze.
Grund 1: Wir wollen mehr vom Hormon-Cocktail
Ein True-Crime-Produzent ist wie ein Barkeeper, der unserem Körper einen verlockenden Cocktail mischt. Die Zutaten sind Hormone: Adrenalin, Endorphin und Dopamin. Aimee Daramus, US-Neurologin und klinische Psychologin, die zu True Crime forscht, erklärt im Interview mit dem Onlineportal Bustle, dass unser Gehirn beim Ansehen von True Crime – ähnlich wie bei Horrorfilmen – jede Menge Adrenalin ausschüttet.
In einem echten Notfall macht uns das Hormon stärker und schneller. Wenn wir nur auf dem Sofa sitzen, sorgt es dafür, dass wir uns wie wahnsinnig auf den Verlauf der Story freuen.
Auch Endorphine sind Teil des True-Crime-Erfolgrezepts. Sie wirken wie «milde Opiate», so die Expertin. Sie beruhigen uns, wenn der Nervenkitzel zu gross wird. Wie opioide Schmerzmittel können sie uns aber auch ein bisschen süchtig machen.
Zusätzlich produziert unser Gehirn beim Schauen oder Hören von True-Crime-Storys auch die Glücks- und Wohlfühlhormone Dopamin und Serotonin, was laut Neurologin Daramus eine «ziemlich verrückte Kombination» ergibt.
Wenn die Gefahrensituation (im Film) vorbei ist, ebbt das Angstgefühl sofort ab – die Endorphine und Dopamine schwirren allerdings noch eine Weile durch unsere Blutbahn. Wir vergessen schnell, wie schlimm es sich angefühlt hat und wollen mehr.
Grund 2: Wir wollen in den Kopf der Täter schauen
Auch unsere Neugier spielt eine grosse Rolle. «Es ist uns Menschen angeboren, dass wir uns für die Geschichten anderer interessieren», meint der Medienpsychologe Raymond Mar. Die meisten Menschen würden ja glücklicherweise nie erfahren, wie es ist, einen Mord oder ein abscheuliches Verbrechen zu begehen.
Deshalb ziehe es uns an, wenn wir so etwas sehen oder hören. «In gewisser Weise handelt es sich also um eine Art stellvertretende Psychologie». Wir schlüpfen in das Leben einer Person, mit der wir sonst nichts zu tun haben.
Grund 3: Gewalt setzte sich bei unseren Vorfahren durch
Und es gibt noch einen Grund für unsere Faszination: «Natürlich bewerten wir brutale Morde auf rationaler Ebene als abscheulich. Es ist aber auch ein Erbe der Evolution, dass die Ausübung von Gewalt mit Hochgefühlen verbunden ist», schreibt der deutsche Psychologe Prof. Dr. Borwin Bandelow in seinem Buch «Wer hat Angst vorm bösen Mann?»
Unter unseren Vorfahren setzten sich in erster Linie jene durch, die das Töten von Raubtieren und Feinden besonders berauschte. Einen Hang zur Lust an Gewalt sei ein stückweit in jeder und jedem von uns verankert. Gut, dass wir sie heute nicht mehr ausüben müssen, sondern uns gemütlich auf der Couch Serien über Serienkiller anschauen können.