Ein Gefühl der Orientierungslosigkeit, ein Absturz, der Magen, der auf den Hals drückt – und manchmal sogar das Gefühl «Jetzt sterbe ich dann gleich»: Liebeskummer ist eines der schlimmsten Gefühle, die wir Menschen haben können.
So hoch uns die Liebe in den Himmel hebt, so tief fallen wir, wenn sie uns abhandenkommt. Oder wie es Johnny aus Bern beschreibt: «Ä Fuuscht id Frässi».
Liebesschmerz ist Dopaminentzug
Die Auswirkungen von Liebesentzug auf Körper, Geist und Seele sind immens und gut erforscht.
Wenn wir verliebt sind, sind vor allem zwei Regionen in unserem Gehirn aktiviert: das Belohnungssystem und der Bereich, der bei Drogensucht oder anderen Süchten stimuliert ist.
Nach einer Trennung sinkt der Botenstoff Dopamin, der für Glücksgefühle zuständig ist. Wir sind auf einer Art Entzug. Dafür steigen die Level der Stresshormone Adrenalin und Cortisol: Wir sind gestresst, haben Herzrasen und schlafen schlecht. Dazu können Magen- und Kreislaufprobleme kommen.
Eine innere Unruhe belastet den Körper. Man fühlt sich zerschlagen. Unsere Gedanken kreisen, wir können uns nicht konzentrieren und leisten weniger in der Schule oder im Beruf. Hinzu kommt Appetitlosigkeit oder übermässiges Essen.
Wir ziehen uns zurück, sind antriebslos und pessimistisch. Im Extremfall kommt es zu suizidalen Gedanken. Oder wir werden aggressiv und asozial.
Im schlimmsten Fall bricht das Herz im wahrsten Sinn des Wortes: Man spürt einen «Quasi-Herzinfarkt» mit starken Brust- und Herzschmerzen, Atemnot, Todesangst.
Liebeskummer wird unterschätzt
Dass Liebeskummer traumatische Symptome auslösen kann, hat Günter Seidler erforscht. Er ist Psychiater, Neurologe und Arzt für psychosomatische Medizin in Heidelberg.
Seidler moniert, dass Liebeskummer immer noch häufig unterschätzt wird und – wenn auch selten – zum Tode führen kann.
Seit der Jahrtausendwende hat sich Seidler auf der Grundlage eigener Forschungsergebnisse mit der Psychotraumatologie beschäftigt – mit der Frage, welche Folgen Gewaltereignisse auf das Erleben und Leben von Menschen haben.
Dabei erlebten die Forschenden eine Überraschung: Als Auslöser für traumatische Symptome braucht es nicht immer lebensbedrohliche Situationen wie eine Kriegs- oder Nahtoderfahrung. Auch Liebeskummer kann solche Auswirkungen haben.
Eine vermeintliche «Schulhofkrankheit» kann also zu Symptomen führen, wie sie zum Beispiel nach einer schweren Naturkatastrophe auftreten.
Symptome einer Traumafolgestörung
Zu solchen Symptomen gehören Erregungszustände, Dissoziation, Schwierigkeiten, bei sich zu bleiben.
Tatsächlich stellten die Forschenden bei den untersuchten Patientinnen und Patienten fest, dass einige Menschen vom früheren Lebenspartner oder von der früheren Lebenspartnerin nicht loskommen und dann Symptome entwickeln, die denen einer posttraumatischen Belastungsstörung gleichen – ohne dass sie ein schweres, lebensbedrohliches Ereignis hinter sich haben.
Die Menschen schalten dann ab und funktionieren wie Computer. «Das sind Symptome, die rechtfertigen die Diagnose einer Traumafolgestörung», erläutert Seidler.
Wie schwer eine Trennung ist, hängt natürlich von der jeweiligen Situation ab.
Es gibt Menschen, die sind resilienter und verarbeiten Liebeskummer besser als andere. Aber in bestimmten Situationen sind Menschen besonders gefährdet für Liebeskummer: Wenn es zum Beispiel auch in anderen Lebensbereichen gerade nicht gut läuft – wie etwa bei der Arbeit – oder jemand auf eine andere Weise seelisch hilfsbedürftig ist.
Wer sich zum ersten Mal verliebt, hat noch nicht die Erfahrung, dass eine neue Liebe auftauchen kann.
Besonders schwierig wird es, wenn so eine bedürftige Seele vom Partner oder der Partnerin wie ein seidener Handschuh gestreichelt, und dann plötzlich verlassen wurde. In solchen Fällen tut eine Trennung besonders weh.
Teenager besonders gefährdet
«Besonders gefährdet sind auch Teenager», sagt Jacqueline Frossard, Psychotherapeutin in Basel. «Wer sich zum ersten Mal verliebt, hat noch nicht die Erfahrung, dass eine neue Liebe auftauchen kann.»
Annette Cina, Psychotherapeutin in Fribourg, sieht im ersten grossen Liebeskummer mögliche Auswirkungen auf das spätere Beziehungsleben: «Wenn man immer wieder verlassen wird und das nicht richtig einordnen kann, dann kann der junge Mensch das Gefühl entwickeln: ‹Ich reiche nicht, ich bin nicht genügend, ich bin nicht liebenswert.› Und das kann Auswirkungen haben auf einen jungen Menschen.»
Man sollte den Jugendlichen erklären, dass das, was man sich wünscht und das, was in Realität passiert, nicht immer dasselbe ist. Dass es zwar wehtut im Moment, man das aber nicht immer verhindern und vermeiden sollte.
Auch Frossard hat Tipps, wie Eltern am besten mit Teenagern umgehen, die ein gebrochenes Herz haben. Der wichtigste: ernst nehmen, den Liebeskummer nicht belächeln.
Gut wäre auch, von der eigenen ersten Liebeskummererfahrung zu erzählen: «Man kann erzählen, wer und wie schlimm das gewesen ist. Und wie gut die Trennung auch war, weil sonst hätte man ja den Vater oder die Mutter vom Kind nicht kennengelernt. Das kann man aufzeigen.»
Trennungsgrund Untreue
Untreue ist ein oft zitierter Grund für Liebeskummer und führt in vielen Fällen zur Trennung. Laut einer Studie hat schon jede zweite Person in der Schweiz Erfahrung mit Untreue gemacht. 22 Prozent der Seitensprünge führen unmittelbar danach zur Trennung. Bei 28 Prozent wird die Beziehung nicht sofort, aber später beendet – wegen des Seitensprungs.
Untreue erschüttert, weil ein enormer Vertrauensbruch stattfindet. Hinzu kommt das Gefühl, auswechselbar zu sein. Besonders schwierig ist das Gefühl, der eigenen Wahrnehmung nicht mehr trauen zu können, wenn man vom Seitensprung nichts mitbekommen hat.
Nicht immer führt Untreue zur Trennung. «Man muss sich einig werden, wie das in Zukunft weitergehen soll. Dafür braucht es viel Offenheit und verbindliche Abmachungen», meint Frossard.
Am Ende ist niemand gefeit vor Liebeskummer, weder Jung noch Alt. Ob verursacht durch eine Trennung, eine unerfüllte oder unerreichbare Liebe oder auch durch Probleme in der Beziehung.
Studien sagen: Nach ein bis zwei Jahren sollte der Liebeskummer verarbeitet sein. Wer es monatelang nicht schafft, im Alltag wieder einigermassen zu funktionieren, sollte sich überlegen, Hilfe zu suchen.
Am Ende muss man es akzeptieren, wenn der oder die andere nicht (mehr) will – und loslassen. Wie man das am besten macht, dazu gibt es gute Tipps, die aber natürlich einfacher geschrieben als getan sind ...