Derzeit steigen die weltweiten Temperaturen schnell an – das 1,5-Grad-Ziel dürfte deutlich überschritten werden. Die Zeit für mehr Klimaschutz drängt. Doch der ETH-Klimawissenschaftler Reto Knutti hat wenig Hoffnung auf griffige Resultate an der 28. Weltklimakonferenz in Dubai.
SRF Wissen: An der UNO-Klimakonferenz steht der Ausstieg oder zumindest die starke Reduktion von Öl- und Gasförderung zur Debatte. Gleichzeitig ist der Präsident dieser Konferenz der CEO des staatlichen Erdölkonzerns der Vereinigten Arabischen Emirate. Wie sehen Sie diesen Interessenkonflikt?
Reto Knutti: Ich habe keine grosse Hoffnung, dass man hier weiterkommt. Denn Beschlüsse werden in der UNO mit Konsens gefällt. Das heisst, auch der Hinterste und Letzte muss einverstanden sein. Damit wird versucht, alle einzubinden. Aber das wird insbesondere beim aktuellen Präsidenten schwierig. Er hat im Vorfeld klargemacht, wo er steht. Er sagt zwar, man müsse langfristig weg von den Fossilen, aber er sagt auch, dass man zuerst eine Alternative brauche.
Solche Alternativen hätten wir jedoch mit den erneuerbaren Energien bereits heute. Doch diese Alternativen setzen sich nicht spontan durch – dafür braucht es Anreize, Verbote oder Lenkungen. In diesem Sinne ist von dieser Konferenz, wie so oft in den vergangenen Jahren, wahrscheinlich nicht viel zu erwarten.
Zum ersten Mal seit der Klimakonferenz in Paris von 2015 wird nun eine Art Bestandsaufnahme gemacht, also wo die einzelnen Staaten bezüglich Klimaschutz stehen. Das kann zusätzlichen Druck für mehr Klimaschutz erzeugen. Stimmt Sie das zuversichtlich?
Dieser sogenannte «Global Stocktake», also diese Bestandsaufnahme, hat zwei Funktionen. Zum einen, um als Weltgemeinschaft zu bestimmen, wo wir weltweit stehen. Und gleichzeitig soll es dazu dienen, dass sich die Länder gegenseitig zu höheren Zielen anspornen. Leider funktioniert dieses Anspornen nur ungenügend.
Die Ziele sind zu wenig ambitioniert und selbst für die Ziele, die wir haben, sind die Massnahmen zu schwach, um sie effektiv zu erreichen.
Der neue Bericht der UNO hat gezeigt, dass die heute weltweit implementierten Gesetze uns auf eine Erwärmung von fast drei Grad bringen. Mit Berücksichtigung der Pläne der einzelnen Länder bleibt eine Erwärmung um 2,3 oder 2,4 Grad. Damit sind wir weit entfernt von den 1,5 Grad, auf die wir uns in Paris einigen konnten. In diesem Sinne sind wir doppelt ungenügend. Die Ziele sind zu wenig ambitioniert und selbst für die Ziele, die wir haben, sind die Massnahmen zu schwach, um sie effektiv zu erreichen.
Sie hören sich desillusioniert an. Setzen Sie noch Hoffnungen auf diesen Prozess der Klimakonferenzen, Herr Knutti?
Ich glaube, diese Konferenzen sind wichtig, damit sich die Länder austauschen und Verbündete finden. Auch, dass man gemeinsame Regeln hat, wie man die Emissionen berechnet. Aber am Ende müssen wir uns nichts vormachen: Klimapolitik ist nationale Klimapolitik, und jedes Land muss in seinem eigenen politischen Kontext mit seinen Möglichkeiten sein System umbauen. Und kaum ein Land lässt sich von den anderen etwas vorschreiben. Das wissen wir seit vielen Jahren.
Die Schweiz hätte alles, was es braucht. Sie muss nicht auf andere warten. Wir brauchen nur den gesellschaftlich-politischen Willen.
In der Schweiz haben wir im Juni dieses Jahres mit dem Klimaschutz- und Innovationsgesetz die Pfosten eingeschlagen und gesagt, wo wir hinwollen. Aber die Frage ist: Setzen wir das jetzt um? Bisher sind die Zeichen dafür nicht so gut. Doch die Schweiz hätte die technologischen Möglichkeiten dazu. Sie muss nicht auf andere warten. Wir brauchen nur den gesellschaftlich-politischen Willen.
Das Gespräch führte Christian von Burg.