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Suche nach Wasserstoff Gebirge wie die Alpen: Tankstelle für natürlichen Wasserstoff?

  • Wasserstoff gilt als vielversprechender und sauberer Energieträger der Zukunft. Doch seine Herstellung ist teuer.
  • Natürlicher Wasserstoff könnte in grossen Mengen in Gebirgen wie den Alpen vorkommen, auch in der Schweiz. Das zeigt eine neue Studie.
  • Mit plattentektonischen Berechnungen will man die gezielte Suche nach dem umweltfreundlichen Energieträger vorantreiben.
  • Bisherige Funde von natürlichem Wasserstoff basieren auf Zufall.

Natürliche Wasserstoffreservoirs? Gibt’s nicht! Viel zu flüchtig und zu reaktiv sei das Gas. Wer Wasserstoff braucht, muss ihn herstellen. So lautete lange der allgemeine Tenor. Zwar war bekannt, dass sich Wasserstoff durch verschiedene natürliche Prozesse bildet. Trotzdem: Natürliche Wasserstoffvorkommen galten lange als kurios. Und danach gesucht hat niemand.

Warten auf die Wasserstoff-Revolution

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Wasserstoff (H₂) gilt schon lange als der Energieträger der Zukunft. Denn bei seiner Verbrennung entsteht nur Wasser, kein CO₂. Wasserstoff ist flexibel einsetzbar: Als Treibstoff für die Mobilität oder als Energiespeicher. Deshalb könnte er in vielen Bereichen fossile Brennstoffe ersetzen. Doch die «Wasserstoff-Revolution» hat bis heute nicht stattgefunden. Das Problem ist seine Verfügbarkeit. Aktuell muss Wasserstoff hergestellt werden.

Die Herstellung ist jedoch sehr energieintensiv und gegebenenfalls auch umweltschädlich. Grauer Wasserstoff wird aus Erdgas erzeugt, wobei CO₂ in die Atmosphäre gelangt. Wirklich nachhaltig ist nur grüner Wasserstoff. Er entsteht durch Elektrolyse. Der Strom dafür wird aus erneuerbaren Energien gewonnen, was die Herstellung CO₂-neutral macht, aber auch teuer. Und genau darum wären natürliche Wasserstoffreservoirs so wertvoll.

1987 dann die Überraschung: In Mali bohren Arbeiter nach Wasser. Was sie finden, ist gasförmig und brennt bläulich – Wasserstoff! Ein Zufallsfund, von denen es inzwischen mehrere gibt. Zuletzt 2023, in der französischen Region Lothringen, wo man eigentlich nach Methan suchte.

Gezielte, statt zufällige Funde

Die Zufallsfunde bewirken ein Umdenken. Immer mehr Studien untersuchen, ob und wo natürlicher Wasserstoff in grossen Mengen gefunden werden könnte.

Forschende des GFZ Helmholz-Zentrum für Geowissenschaften präsentieren nun eine Antwort: Auch in der Schweiz könnten grosse Wasserstoffreservoirs existieren, zum Beispiel im Tessin oder in Graubünden. Dies, weil Gebirge wie die Alpen die besten Voraussetzungen für die Bildung von Wasserstoff bieten.

So kann sich Wasserstoff natürlich bilden

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Natürlicher Wasserstoff kann durch biologische und geochemische Prozesse entstehen.

  • Bestimmte Bakterien und Archaeen wandeln organisches Material um, und setzen dabei Wasserstoff frei.
  • Radioaktive Zerfälle in Gesteinen können Wassermoleküle in Wasserstoff und Sauerstoff aufspalten.
  • Hohe Temperaturen und Druck können organische Stoffe in Wasserstoff und andere Gase zerlegen.
  • Wenn wasserhaltige Minerale (zum Beispiel Olivin) mit Wasser reagieren, entsteht molekularer Wasserstoff. Dies geschieht oft in der Erdkruste und an hydrothermalen Quellen. Der Prozess heisst Serpentinisierung.

Laut einer Studie könnte es auf der Erde sehr viel natürlichen Wasserstoff geben. Am vielversprechendsten für die natürliche Produktion von grossen Mengen Wasserstoff ist ein geologischer Prozess, die sogenannte «Serpentinisierung». Dabei reagiert stark eisenhaltiges Erdmantelgestein mit Wasser.

Es bilden sich neue Minerale – und Wasserstoff. Damit das Mantelgestein aber überhaupt mit Wasser in Kontakt kommt, muss es an die Erdoberfläche gelangen, sprich: tektonisch «exhumiert» werden. Das passiert in Ozeanbecken, wenn Kontinente auseinanderdriften. Und wenn Kontinente kollidieren und dabei Gebirge bilden.

Skizze der Exhumierung des Erdmantels eines Gebirges mit hohem Potenzial für die natürliche Entstehung von Wasserstoff.
Legende: Skizze der Exhumierung des Erdmantels eines Gebirges mit hohem Potenzial für die natürliche Entstehung von Wasserstoff. Grafik: SRF, Quelle: USGS, Frank Zwaan

Das GFZ-Forschungsteam simulierte mit einer neuen, quantitativen Modellierung die plattentektonische Entwicklung der Erde über zig Milliarden Jahre. Und fand heraus, wie und wann eine grossflächige Serpentinisierung und damit eine grossflächige Wasserstoff-Erzeugung möglich ist.

Das Ergebnis: Das grösste Potenzial für Serpentinisierung findet sich in Gebirgszügen. Sie kann dort bis zu 20-mal höher sein als in ozeanischen Riftbecken. Gebirge bieten ausserdem geeignete Speichergesteine wie zum Beispiel Sandsteine, die eine Ansammlung von Wasserstoff erlauben könnten.

Suche in Gebirgsregionen forcieren

Solche Bedingungen finden sich unter anderem in den westlichen Pyrenäen, den Betischen Kordilleren in Spanien, und auch in den Zentralalpen: im Tessin und Graubünden. Ihre Ergebnisse seien ein starkes Argument, in Gebirgsregionen nach natürlichem Wasserstoff zu suchen, so die Forschenden. Noch aber sei man weit entfernt von der Förderung natürlichen Wasserstoffs. Kleinräumigere Modelle und Feldforschung – es gäbe noch viel zu tun.

Panoramabild der Schweizer Alpen mit vielen Bergen und Personen beim Wandern.
Legende: Panoramablick auf die Schweizer Alpen in Graubünden. Ein potenzielles Explorationsgebiet für natürlichen Wasserstoff. Frank Zwaan/GFZ

Studien wie diese sollen Impulse für weitere Forschung liefern. Denn der aktuelle Stand der Wasserstoffförderung ähnelt dem der Erdölindustrie im Jahr 1857. Damals entdeckte Edwin Drake in Pennsylvania Erdöl und löste den Aufstieg der Industrie aus.

SRF 1, Einstein, 20.02.2025, 21:05 Uhr

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