- Wasserstoff gilt als vielversprechender und sauberer Energieträger der Zukunft. Doch seine Herstellung ist teuer.
- Natürlicher Wasserstoff könnte in grossen Mengen in Gebirgen wie den Alpen vorkommen, auch in der Schweiz. Das zeigt eine neue Studie.
- Mit plattentektonischen Berechnungen will man die gezielte Suche nach dem umweltfreundlichen Energieträger vorantreiben.
- Bisherige Funde von natürlichem Wasserstoff basieren auf Zufall.
Natürliche Wasserstoffreservoirs? Gibt’s nicht! Viel zu flüchtig und zu reaktiv sei das Gas. Wer Wasserstoff braucht, muss ihn herstellen. So lautete lange der allgemeine Tenor. Zwar war bekannt, dass sich Wasserstoff durch verschiedene natürliche Prozesse bildet. Trotzdem: Natürliche Wasserstoffvorkommen galten lange als kurios. Und danach gesucht hat niemand.
1987 dann die Überraschung: In Mali bohren Arbeiter nach Wasser. Was sie finden, ist gasförmig und brennt bläulich – Wasserstoff! Ein Zufallsfund, von denen es inzwischen mehrere gibt. Zuletzt 2023, in der französischen Region Lothringen, wo man eigentlich nach Methan suchte.
Gezielte, statt zufällige Funde
Die Zufallsfunde bewirken ein Umdenken. Immer mehr Studien untersuchen, ob und wo natürlicher Wasserstoff in grossen Mengen gefunden werden könnte.
Forschende des GFZ Helmholz-Zentrum für Geowissenschaften präsentieren nun eine Antwort: Auch in der Schweiz könnten grosse Wasserstoffreservoirs existieren, zum Beispiel im Tessin oder in Graubünden. Dies, weil Gebirge wie die Alpen die besten Voraussetzungen für die Bildung von Wasserstoff bieten.
Laut einer Studie könnte es auf der Erde sehr viel natürlichen Wasserstoff geben. Am vielversprechendsten für die natürliche Produktion von grossen Mengen Wasserstoff ist ein geologischer Prozess, die sogenannte «Serpentinisierung». Dabei reagiert stark eisenhaltiges Erdmantelgestein mit Wasser.
Es bilden sich neue Minerale – und Wasserstoff. Damit das Mantelgestein aber überhaupt mit Wasser in Kontakt kommt, muss es an die Erdoberfläche gelangen, sprich: tektonisch «exhumiert» werden. Das passiert in Ozeanbecken, wenn Kontinente auseinanderdriften. Und wenn Kontinente kollidieren und dabei Gebirge bilden.
Das GFZ-Forschungsteam simulierte mit einer neuen, quantitativen Modellierung die plattentektonische Entwicklung der Erde über zig Milliarden Jahre. Und fand heraus, wie und wann eine grossflächige Serpentinisierung und damit eine grossflächige Wasserstoff-Erzeugung möglich ist.
Das Ergebnis: Das grösste Potenzial für Serpentinisierung findet sich in Gebirgszügen. Sie kann dort bis zu 20-mal höher sein als in ozeanischen Riftbecken. Gebirge bieten ausserdem geeignete Speichergesteine wie zum Beispiel Sandsteine, die eine Ansammlung von Wasserstoff erlauben könnten.
Suche in Gebirgsregionen forcieren
Solche Bedingungen finden sich unter anderem in den westlichen Pyrenäen, den Betischen Kordilleren in Spanien, und auch in den Zentralalpen: im Tessin und Graubünden. Ihre Ergebnisse seien ein starkes Argument, in Gebirgsregionen nach natürlichem Wasserstoff zu suchen, so die Forschenden. Noch aber sei man weit entfernt von der Förderung natürlichen Wasserstoffs. Kleinräumigere Modelle und Feldforschung – es gäbe noch viel zu tun.
Studien wie diese sollen Impulse für weitere Forschung liefern. Denn der aktuelle Stand der Wasserstoffförderung ähnelt dem der Erdölindustrie im Jahr 1857. Damals entdeckte Edwin Drake in Pennsylvania Erdöl und löste den Aufstieg der Industrie aus.