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Bedrohte Biodiversität «Schweizer Vögel essen künftig Chips statt Haferbrei»

Was wäre, wenn wir Menschen uns nur noch von Fastfood ernähren könnten, weil es schlicht kein gesundes Essen mehr gäbe? Ein solches Szenario droht den Vögeln und Amphibien in der Schweiz, denn ihre Nahrung wird immer gehaltloser.

«Die sind megawichtig für Fische, Vögel, Säugetiere, Spinnen, für alles hier in der Umgebung!» Cornelia Twining hält einen Winzling auf ihren Händen: eine Eintagsfliegenlarve.

Die Umweltbiologin steht mit ihren Doktorandinnen und Doktoranden mitten im Lauibach in Giswil (OW). Die Larve der Eintagsfliege ist nur wenige Millimeter gross, hat es aber in sich: Wasserinsekten wie diese sind der Grundstein für die Nahrung unserer Tiere.

Nachaufnahme einer Eintagsfliegenlarve
Legende: Eintagsfliegenlarven sind ein wichtiger Bestandteil der Nahrungskette. SRF

Cornelia Twining will genau wissen, was sich da unter den Steinen im Wasser tummelt. Und vor allem: Wie sich die höheren Temperaturen auf die Wasserinsekten auswirken?

Für die Forschungsinitiative Blue-Green Biodiversity der Eawag (das Wasserforschungsinstitut der Eidgenössischen Technischen Hochschule ETH) und WSL (der Forschungsanstalt für Wald Schnee und Landschaft) hat Cornelia Twining untersucht, wie sich die Biodiversität an der Schnittstelle von aquatischen und terrestrischen Ökosystemen entwickelt – und welche Rolle die Wasserinsekten spielen.

Immer wärmer, immer früher

Neben veränderten Landschaften hat sich für unsere Umwelt vor allem eines verändert: Es wird wärmer. Seit dem Jahr 1901 sind im Monat Februar die Durchschnittstemperaturen um 3,1 Grad Celsius gestiegen.

Mit Auswirkungen auf unsere Tiere: Viele sind früher im Jahr unterwegs – auch die Wasserinsekten. Sie schlüpfen im Schnitt eine Woche früher als noch in den 1990er Jahren.

Beunruhigende Veränderung im Körperinneren

Die beunruhigende Veränderung findet aber im Innern der Wasserinsekten statt. Cornelia Twining hat in ihrer Forschung herausgefunden, dass bei steigenden Temperaturen die Wasserinsekten weniger Nährstoffe in sich haben: «Die Wasserinsekten fressen Algen mit den ungesättigten Omega-3-Fettsäuren.» Wenn es wärmer wird, dann speichern sie weniger dieser Omega-3-Fettsäuren, «das macht sie zu schlechterem Futter zum Beispiel für Vögel.»

Negative Folgen für Vögel

Damit die Vögel ihre Jungtiere aufziehen können, brauchen sie fettreiche Wasserinsekten. Über 90 Prozent der Omega-3-Fettsäuren beziehen die Vögel von Wasserinsekten. Wenn diese weniger produzieren, wird es für die Vögel schwierig.

«Wasservögel essen in Zukunft immer mehr Chips anstatt Haferbrei. Das kann zu einem Problem führen», gibt Cornelia Twining zu bedenken. «Besonders für Wasservögel. Für sie wird der Lebensraum ohnehin schon knapp. Der Druck nimmt weiter zu, wenn sie zusätzlich auch weniger Nährstoffe zur Verfügung haben», so Twining weiter.

Mögliche Anpassungen

Klar ist: Damit unsere Gewässer weniger aufheizen, wäre es hilfreich, Bäume am Ufer zu pflanzen. Der Schatten könnte zur Kühlung beitragen – die Wasserinsekten könnten nahrhaft – also Haferbrei – bleiben.

Mehr kann der Mensch laut Twining für die wichtige Nahrungsquelle nicht tun. Aktuell wird erforscht, ob Vögel und andere Tiere ihre Ernährung anpassen könnten. Aber selbst wenn das gelingt, bleibt die Frage: Was schreitet schneller voran, die Anpassung der Vögel an neue Nahrung oder die Zunahme der Temperaturen?

Einstein, 13.04.2025, 21:00 Uhr

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