«Es war ein Riesenaufwand», sagt der Ökologe Florian Altermatt, der an der Universität Zürich und dem Wasserforschungsinstitut Eawag forscht. 10'000 veröffentlichte Biodiversitäts-Studien hätten er und sein Team durchforstet. Rund 2000 blieben am Ende übrig, die genau das enthielten, was sie suchten: «Zum Beispiel einen See, in den man Pestizide leitete, und einen anderen, der naturnah war», so Altermatt.
Oder: Ein Gebiet, wo ein Teil des Waldes abgeholzt wurde, der andere nicht. Gefragt war also immer ein direkter Vergleich. Das Ziel: Nicht nur Veränderungen zu sehen, sondern auch, was diese bewirkt. «Das ist ähnlich wie in der Medizin, wenn man ein bestimmtes Medikament testet, mit Kontrolle und Testgruppe.»
Fünf Ursachen des Artenrückgangs
Statt eines Medikaments geht es dem Ökologen aber um die Verschmutzung durch Pestizide, Umweltgifte oder Nährstoffe; den Verlust von Lebensräumen, den Klimawandel. Aber auch um Jagd und Fischerei sowie eingeschleppte Arten. Es geht also um den Einfluss des Menschen, und immer um die Frage: Wie wirkt sich das auf die Biodiversität aus?
Die Spezialisten gehen verloren, und die Otto-Normalverbraucher-Arten nehmen zu.
Das Fazit: Global über alle Arten – von kleinsten Mikroben, über Pilze, Pflanzen, Vögel, Amphibien und Säugetiere – und über alle Lebensräume hinweg nimmt die Artenvielfalt ab. Im Schnitt sind es rund ein Fünftel weniger Arten in Gebieten, die der Mensch beeinflusst, verglichen mit solchen ohne Einfluss.
Und: Der Mensch verändert, welche Arten wo vorkommen. Florian Altermatt sagt es so: «Die Spezialisten gehen verloren, und die Otto-Normalverbraucher-Arten nehmen zu.»
Entgegen den Erwartungen: Natur wird nicht zum Einheitsbrei
Obwohl beides keine neuen Erkenntnisse sind, hat den Ökologen überrascht, wie stark die Artenzahlen zurückgehen. Und das sowohl an Land, in Seen und Flüssen sowie im Meer. Und: «Mich hat überrascht, dass nicht alle Artgemeinschaften durch den menschlichen Einfluss ähnlicher werden, sondern einige auch unterschiedlicher.»
Die Forschung war davon ausgegangen, dass es einen Einheitsbrei gebe. Also beispielsweise in allen Parks einer Stadt nur noch Schwebfliegen vorkommen, illustriert Roel van Klink vom deutschen Zentrum für Biodiversitätsforschung, der nicht an der Studie beteiligt war. Dass dem offenbar nicht so ist – das Verhältnis von Auseinanderdriften zu Einheitsbrei ist etwa 50:50 – sei für ihn das Einzigartige an der neuen Analyse.
Die Folge: Instabile Ökosysteme
Was das bedeute, darüber müsse die Forschung nun erstmal ruhig nachdenken, meint van Klink. Für Florian Altermatt ist aber bereits klar, dass beide Entwicklungen unerwünscht sind. Genauso wie der Fakt, dass die Artenzahl abnimmt, und dass sich die Verbreitung der Arten verändert. «Alle beobachteten Veränderungen führen dazu, dass die Ökosysteme weniger stabil sind», so Altermatt. Und dann auch weniger Ökosystemleistungen wie sauberes Trinkwasser oder die Bestäubung von Blüten, Pflanzen und Obstbäumen erbringen können.