Was zur Aufklärung von Verbrechen heute üblich ist, kommt nun vermehrt auch in der Natur zum Zug: Fachleute sichern DNA-Spuren. Bloss tun sie das nicht an Mordtatorten, sondern in Flüssen, im Permafrost oder auf Wiesen, mit sogenannter Umwelt-DNA.
«Alle Organismen geben DNA ab über Hautpartikel, Kot oder Schleim», sagt der Ökologe Florian Andermatt über die noch junge Methode. «Diese DNA kann man mit etwas Wasser aus einem Bach oder einer Hand voll Erde gewinnen. Später untersucht man mit Laborgeräten die DNA aus einer solchen Probe.»
Der Ökologe des Wasserforschungsinstituts EAWAG und der Universität Zürich erforscht Umwelt-DNA in Gewässern. Er schöpft zum Beispiel einen Liter Wasser aus einem Bach und bestimmt im Labor, ob sogenannte Zeigerorganismen im Bach vorkommen. Also kleine Insektenlarven und Krebschen, die sensibel auf Verschmutzung reagieren, das heisst absterben, wenn das Wasser mit Dünger oder Pestiziden belastet ist.
Vielfältige Insektenspuren auf Blüten
Auch Philip Francis Thomsen von der dänischen Universität Aarhus fahndet in der Natur nach Erbgut-Fragmenten. «Wir haben auf zwei Wiesen DNA von 135 kleinen Krabbeltieren nachgewiesen. So etwa von Wildbienen, Schmetterlinge, Spinnen oder Laufkäfer – eine grosse Vielfalt», sagt Thomsen.
Für diese Analysen hat der Ökologe mit seiner Kollegin die Blüten von 50 verschiedenen Blumenarten abgezupft und die DNA aus dem Blütengemisch herausgefiltert. Dieser Aufwand ist um Dimensionen kleiner als die Insekten-Beobachtung oder Käferfallen, die bisher zur Ermittlung der Artenvielfalt verwendet wurden.
Den Rhein durchleuchten
Die ökologischen Erbgut-Fahnder können die Natur also mit weniger Aufwand als bisher beobachten. «Man könnte auf einen Schlag den ganzen Rhein auf Schweizer Boden und noch andere Flüsse aufs Leben darin durchleuchten», sagt Jan Pawlowski vom Genfer Speziallabor ID-GENE ecodiagnostics.
Diese Effizienz fällt in der heutigen Biodiversitätskrise ins Gewicht. Um das weltweite Artensterben zu stoppen, muss dieses nämlich umfassender dokumentiert werden als heute. Nicht zuletzt, um die Politikerinnen und Politiker zu überzeugen, damit sie Gegensteuer geben.
Allerdings können die Forschenden gerade die Artenvielfalt in ihrer ganzen Breite erst schlecht bestimmen. Ein Nachteil sind dabei die Lücken in den öffentlichen Arten-Datenbanken.
Diese DNA-Datenbanken braucht es, um die aus Umwelt-DNA ermittelten Gen-Sequenzen einer bestimmten Art zuordnen zu können. «Heute ist das bei den europäischen Fischarten schon bei rund 50 bis 80 Prozent möglich», sagt Florian Altermatt. «Bei Mikroben oder manchen Insektenarten sind wir aber erst bei wenigen Prozent.»
Verfahren mit grossem Potential
Dennoch sind Umwelt-DNA-Analysen heute schon in der Praxis im Einsatz. Neue invasive Muscheln wurden damit schon frühzeitig aufgespürt. Der Bund testet das Verfahren neuerdings, um mittels «Zeigerorganismen» die Sauberkeit von Flüssen zu messen. Oder bei Schafsrissen verraten zuweilen DNA-Proben vom Kadaver, welches Raubtier zugebissen hat.
Weil die DNA-Datenbanken rasch wachsen und die Sequenzierverfahren laufend besser und günstiger werden, ist Florian Altermatt überzeugt: «Umwelt-DNA-Analysen könnten die Ökologie ähnlich revolutionieren wie die Verwendung von DNA in der Kriminalistik.»