In der einstigen Bergbau-Hochburg im sächsischen Freiberg stehen die Stollen still. Dafür arbeiten Forschende daran, neu mit Pflanzen Metalle zu schürfen. Pflanzen haben über ihr Wurzelwerk die bemerkenswerte Fähigkeit, an die unterschiedlichsten Stoffe in der Erde zu gelangen – auch an Metalle.
Warum akkumulieren Pflanzen Schwermetalle?
Phytomining heisst dieses Verfahren, an dem der Geochemiker Oliver Wiche vom Institut für Biowissenschaften der Technischen Universität Bergakademie Freiberg forscht: «Gräser etwa sind bekannt dafür, dass sie Silizium sammeln.» Sie brauchen das Halbmetall vermutlich als Abwehrstoff. «Doch Pflanzen können nicht unterscheiden zwischen Silizium und anderen Metallen», sagt Wiche, «und fördern so neben den nötigen Nährstoffen auch Metalle wie Germanium, Lanthan, Cadmium oder Nickel aus dem Boden. Sozusagen als Laune der Natur.» Aus den Pflanzen lässt sich das Metall herauslösen.
Einige Pflanzen können besonders viel von einem Metall sammeln, sie werden als Hyperakkumulatoren bezeichnet. Diese Fähigkeit wollen die Forschenden für die Industrie nutzbar machen. So hat Germanium, das in der Halbleiterindustrie verwendet wird, einen Kilopreis von rund 1'500 Franken. Wiche ist überzeugt, dass die Methode Zukunft hat.
Besonders interessant sind Metalle aus der Gruppe der «Seltenen Erden», ein Sammelbegriff für 17 anorganische Elemente, einige davon sind wichtige Zutaten für die Hightech-Industrie.
Es gibt weltweit keine grösseren Lagerstätten, wo sich Seltene Erden wirtschaftlich abbauen lassen – 60 Prozent stammen aus China. Seltene Erden sind aber gar nicht so selten, sie kommen auch in Europa in kleineren Konzentrationen vor. Die Vision der Freiberger Forschenden: Mittels Phytomining-Verfahren künftig die Handelsabhängigkeiten vom chinesischen Markt minimieren.
Phytomining als Zukunftsmarkt?
Obwohl Germanium recht verbreitet ist, sind die Erträge gering: Eine Tonne Boden enthält im Durchschnitt nur gerade 1.5 Gramm des Halbmetalls – deshalb lohnt sich der konventionelle Abbau durch eine Mine kaum. Zudem verursacht dieses Verfahren toxischen Schlamm, der Gewässer und Umland bedroht.
Mittels Phytomining könnten aber unterschiedlichste Metalle schonender gefördert werden: Nickel, Mangan, Cadmium, Lanthan, Zink, Cobalt oder Thallium.
Erste industrielle Versuche des Phytoming gibt es bereits: Forschende der Université de Lorraine betreiben eine experimentelle «Metallfarm» in Malaysia: Hier erntet man zwischen 200 und 300 Kilogramm Nickel pro Hektar pro Jahr. Ebenso wurde in der Nähe des Ohridsees in Albanien mit Pflanzen in alten Minengebieten Nickel akkumuliert.
Hat ein wenig genutztes Patent das weltweite Phytomining verhindert?
Die grosse Industrialisierung des Phytomining ist bis jetzt ausgeblieben. Ein Grund dafür könnte ein kaum genutztes US-Patent sein: Der britische Botaniker Alan Baker und der amerikanische Agronom Rufus Chaney gelten als Erfinder des Phytominings. 1995 bekamen sie Gelder der texanischen Investmentfirma «Viridian Environmental» für die Finanzierung des entsprechenden Patents Nr. 5711784.
Doch nach ersten Versuchsprojekten stieg die Firma und Patentinhaberin plötzlich aus, liess sich von den Forschenden nicht wieder kontaktieren. Offenbar wollte die Firma das Patent selbst nutzen für industrielle Zwecke, es scheiterte bei Versuchen aber am fehlenden Know-how. 2015 ist das Patent abgelaufen und die Hoffnungen wurden neu entfacht.