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Ökosystem Grundwasser – Unerforschter Lebensraum
Aus nano vom 10.03.2022.
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Unerforschtes Ökosystem Im Grundwasser wimmelt es von Leben – und warum das wichtig ist

Im Schweizer Grundwasser verbirgt sich ein unerforschtes Ökosystem. Eine Forschungsgruppe sucht darin nach Leben – und hat bereits überraschend viel gefunden.

Die Schweiz verfügt über Unmengen an Wasser. Sie ist das niederschlagsreichste Land des Kontinents, gilt sogar als das Wasserschloss Europas. Die unzähligen Seen und Fliessgewässer an der Oberfläche sind bestens erforscht – nicht aber, was darunter liegt.

Florian Altermatt, Professor für aquatische Ökologie an der Universität Zürich und am ETH-Wasserforschungsinstitut Eawag, hat es sich zur Aufgabe gemacht, Licht in diesen dunklen Lebensraum zu bringen. Mitte 2020 hat er das Projekt AmphiWell gegründet und untersucht seither mit einer Forschungsgruppe die Lebewesen im Grundwasser. Diese Lebewesen und die gesamte Biodiversität im Grundwasser sind schützenswert, denn sie zeugen von einem gesunden Ökosystem. Einem Ökosystem, aus dem die Schweiz rund 80 Prozent ihres Trinkwassers bezieht.

Was ist Grundwasser?

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Als Grundwasser gilt Wasser unter der Erdoberfläche. Nach Niederschlägen versickert Regenwasser durch kleine Risse und Spalten im Boden. Über Tage, Wochen, Monate oder sogar Jahre sinkt es tiefer durch verschiedene Erd- und Gesteinsschichten und wird so gefiltert und gereinigt.

Irgendwann stösst es auf eine undurchdringliche Schicht wie Ton oder Lehm, dort sammelt es sich in kleinen Hohlräumen. Dieses Grundwasser ist eine wertvolle Ressource, in der ganzen Schweiz werden Grundwasservorkommen zur Trinkwassergewinnung angezapft.

Die Erforschung des Grundwassers ist chemisch und physikalisch weit fortgeschritten. Über die Lebewesen in diesem Ökosystem ist hingegen noch nicht alles bekannt.

Bestehende Infrastruktur nutzen

Das Grundwasser ist ein äusserst unzugängliches Ökosystem, da es kleinräumig und teilweise tief unter der Erde ist. Natürliche Zugänge zum Grundwasser finden sich nur in Höhlensystemen. Das ist einer der Gründe, warum die Stygofauna – also die Bewohner des Grundwassers – bis heute kaum erforscht wurden. Die AmphiWell-Forschungsgruppe hat jedoch einen Weg gefunden, mit geringem Aufwand an eine Vielzahl von Proben aus dem Schweizer Grundwasser zu gelangen.

Sie verfolgt dazu einen sogenannten «Citizen-Science-Ansatz». Es gibt nämlich auch künstliche Zugänge zum Grundwasser: Überall in der Schweiz existieren sogenannte Brunnenstuben. Brunnenstuben sind die Orte, an denen Grundwasser für die Trinkwasseraufbereitung gewonnen wird – sie sind quasi Fenster zum Grundwasser. Im Auftrag und unter Anleitung des Forschungsteams haben die Trinkwasserversorger in ihren Brunnenstuben Grundwasserproben entnommen. So kam eine riesige Anzahl Proben zusammen – ein repräsentativer Datensatz aus der ganzen Schweiz.

Die Räuber im Grundwasser

Das Forschungsteam untersucht nun die Lebewesen aus diesen Grundwasser-Proben. Sie interessieren sich dabei hauptsächlich für Flohkrebse – die sogenannten Amphipoden. Sie geben dem Projekt seinen Namen.

Florian Altermatt nimmt an einem Bach in einem Wald Proben im Oberflächengewässer.
Legende: Florian Altermatt nimmt Proben im Oberflächengewässer. ZVG / Esther Michel (Eawag)

«Die Flohkrebse sind sehr relevant, um den Zustand des Ökosystems zu beurteilen», so Projektleiter Altermatt. Weil sie die Räuber im Grundwasser seien und in der Nahrungskette ganz oben stünden, könne man anhand von ihnen Rückschlüsse auf den ganzen Lebensraum ziehen. Jede Veränderung im Ökosystem hat Auswirkungen auf die Nahrungskette. Und diese Auswirkungen lassen sich im obersten Glied beobachten.

Neue Arten entdeckt

Grundwasser-Flohkrebse gibt es verschiedene. Und im Schweizer Grundwasser haben die Forschenden sogar fünf Arten entdeckt, die bislang nirgendwo sonst auf der Welt gefunden wurden. Neue Arten zu entdecken, sei etwas, was in der Schweiz heutzutage nur noch sehr selten geschehe, so Altermatt.

Insgesamt haben die Forschenden bisher 20 verschiedene Arten identifiziert. Genetische Daten aus den Proben weisen aber darauf hin, dass sich in unserem Grundwasser noch weitere Arten verbergen – auch noch weitere unbeschriebene.

Um etwas zu schützen, muss man es kennen

Das Schweizer Gewässerschutzgesetz verlangt die Erhaltung natürlicher Lebensräume für die Tier- und Pflanzenwelt, sowohl ober- als auch unterirdisch. Über das Grundwasser als Lebensraum existierten bislang aber kaum Daten. Ein Ziel des Projektes ist es deshalb, eine Grundlage zu schaffen.

Bei zukünftigen Untersuchungen des Grundwassers wird man so feststellen können, wie sich der Zustand und die Artenvielfalt der Lebewesen darin verändert hat. Welchen Einfluss hat Landwirtschaft oder Siedlungsgebiet auf die Artenvielfalt im Grundwasser? In einer nächsten Phase kann das Projekt herausfinden, wie die Landnutzung in der Nähe von Grundwasservorkommen die Stygofauna beeinflusst. Und gegebenenfalls Massnahmen ergreifen, um sie – und damit unser sauberes Trinkwasser – zu schützen.

nano, 10.03.2022, 10:40 Uhr

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