Doktorand Jakob Schöttner bereitet in Davos gerade ein neues Experiment vor. Damit das gelingt, muss er bei minus 20 Grad Celsius arbeiten. Dick eingepackt steht er im Kältelabor am Institut für Schnee- und Lawinenforschung (SLF), wo das ganze Jahr über tiefster Winter herrscht. Seine Zutaten: Schneeplatten, Pulverschnee und eine Heizplatte.
Oben kalt, unten «warm»
Eine sogenannte «Schwachschicht» will Schöttner herstellen, das sind Schneeschichten, auf denen Lawinen abgleiten können. Die Schwachschicht im Labor soll möglichst so sein, wie sie auch draussen am Berg vorkommt. Dort bilden sich solche Schwachschichten etwa in langen, kalten Nächten. Die Schneeoberfläche kann dann sehr kalt werden, doch unterhalb der Schneedecke wird es zum Erdboden hin immer wärmer. Denn Schnee isoliert sehr gut und schliesst die Erdwärme ein.
Am Boden kann es also «warme» null Grad sein, während es oben an der Schneeoberfläche minus 20 Grad oder noch kälter ist. Diese Temperaturunterschiede in der Schneedecke haben grosse Konsequenzen und können letztlich die Basis für Lawinen bilden.
Die Schwachschicht entsteht
Gibt es diese warm – kalt Situation über mehrere Tage, beginnt sich der Schnee umzuwandeln. Dies geschieht, weil vom wärmeren Schnee unten Wasserdampf aufsteigt. Weiter oben in der Schneedecke, wo es kälter ist, gefriert dieser Dampf wieder. Er lagert sich an Schneekristalle an, die sich so vergrössern und wachsen. Der gefürchtete Tiefenreif entsteht.
Das Schneesandwich
Diese Situation stellt Jakob Schöttner mit seinen Experimenten im Labor nach. Dazu baut er sich eine Art Schneesandwich. Eine stabile, gepresste Schneeplatte gibt eine erste, untere Lage und darauf kommt feiner Pulverschnee. Zum Abschluss nochmals eine stabile Schneeplatte obendrauf – und fertig ist das Sandwich.
Die Schneedecke im Labormassstab ist dann rund 25 Zentimeter dick und bereit für das eigentliche Experiment. Denn jetzt soll der Tiefenreif künstlich im Labor entstehen.
Heizen im Kältelabor
Dazu braucht es im Schneesandwich einen Temperaturgradienten –, so wie draussen am Berg. Schöttner «heizt» deshalb seine Konstruktion von unten mit einer Wärmeplatte bis auf minus zwei Grad. Jetzt ist alles angerichtet: Unten wärmer, oben kälter und der feine Pulverschnee in der Mitte, der sich in den kommenden Tagen langsam umwandeln wird zu Tiefenreif.
Nach fünf bis sieben Tagen kann der Schneeforscher dann die entscheidenden Beobachtungen machen. Er will untersuchen, wie sich der Tiefenreif verhält, wie gut die obere Schneeplatte noch auf der unteren sitzt. Dazu misst er unter anderem, wie viel Kraft nötig ist, bis die obere Schicht auf der Tiefenreif-Schwachschicht abgleitet. Zur Kontrolle kommt auch immer wieder ein Schneesandwich ins CT-Gerät, wo dank Röntgenstrahlen ein detailliertes, feines Bild der Kristalle sichtbar wird. Ein kleines Kunstwerk der Natur.
In Zukunft bessere Modelle
Das Ziel des Forschungsprojekts ist es, zu erkennen, wie stabil die verschiedenen Kristallformen sind. Wie viel Druck halten sie aus? Wie viel Kraft braucht es, bis eine Schneetafel abgleitet? Dieses Wissen soll schliesslich in Computermodelle einfliessen, die so dann besser und genauer ein mögliches Lawinenrisiko berechnen können. Doch bis es so weit ist, wird Jakob Schöttner noch zahlreiche Schneesandwiches bauen müssen.