Sie heissen Chlauserli Steglaui, Kirchberg Missli oder Gritchäle. Sie gehören zu den 5000 Lawinen, die in den letzten 100 Jahren irgendwo im Kanton Uri niedergegangen und erfasst worden sind. Seit jeher sind die Menschen im Zentralschweizer Bergkanton in den Wintermonaten durch Lawinen bedroht.
Eines der verheerendsten Lawinenunglücke im Kanton Uri ereignete am 20. Januar 1951 in Andermatt. Der «Weisse Tod» riss damals 13 Menschen aus dem Leben. Die Gewalt der Lawine hinterliess ein verwüstetes Dorf.
Damit man die Menschen vor Lawinen so gut wie möglich schützen kann, dokumentiert der Kanton Uri seit gut 100 Jahren die Lawinenereignisse genaustens.
Den Grundstein für diese Chronik legten der ehemalige Urner Kantonsoberförster Max Oechslin und sein Sohn Karl Oechslin, damaliger Leiter der Abteilung Lawinenverbau. Sie erfassten in der Zeit von 1920 bis 1989 viele Lawinenniedergänge.
«Max und Karl Oechslin sind eigentlich die Erfinder dieser Lawinendatenbank», sagt Lukas Eggimann, Leiter der Abteilung Naturgefahren im Kanton Uri. «Sie haben Gespräche mit der Bevölkerung, mit Landwirten und mit Forstpersonal geführt.» Dieses Wissen haben sie zusammengetragen und katalogisiert. Auch wurden Unterlagen aus verschiedenen Archiven ausgewertet.
Eine Arbeit, die niemals endet
Die Urner Lawinenchronik wird ständig auf den neusten Stand gebracht. Seit 1920 bis heute ist einiges zusammengekommen: Auf gut 2100 Seiten sind die gesammelten Fotos, Skizzen, Berichte oder Notizen der rund 5000 registrierten Lawinenereignisse festgehalten.
Die Lawinenabgänge sind auch auf Karten fein säuberlich eingezeichnet. So entstand der Lawinenatlas des Kantons Uri. Dieser war bisher nur für die Verwaltung einsehbar. Das wurde nun geändert.
Auf dem Geoportal haben jetzt alle Zugriff auf die Karte. «Es ist ein grosses öffentliches Interesse da. Die Leute wollen wissen, wo früher die Lawinen herunterkamen und wie gross das Ausmass war», sagt Lukas Eggimann.
Eingezeichnet sei jeweils die maximale Ausdehnung der Lawine. Zwei Sachen müsse man aber beachten, wenn man sich beim Geoportal schlaumachen will, sagt Lukas Eggimann.
Vollständig sei der Lawinenkataster nicht: «Lawinen ausserhalb der besiedelten Gebiete sind weniger gut und teilweise gar nicht dokumentiert.» Dort seien nur Lawinen erfasst, die Schäden verursacht haben oder zufällig durch Personen beobachtet und gemeldet worden sind.
Bauliche Massnahmen getroffen
Ebenfalls wichtig zu wissen: «Auf der Karte sind auch Lawinen eingezeichnet, die sich heutzutage gar nicht mehr so weit ausbreiten oder gar nicht mehr entstehen können. Wir haben an vielen Stellen Lawinenverbauungen, Aufforstungen und Schutzbauten gemacht», sagt Eggimann.
Genau deshalb sei der Lawinenatlas von unschätzbarem Wert. Für einen effektiven Schutz vor Lawinen ist das Wissen über vergangene Lawinenereignisse die wichtigste Grundlage.