Unser Kosmos gibt uns ständig Rätsel auf. Eines davon will einfach nicht gelöst werden: Nur ein winzig kleiner Teil des Universums besteht aus normaler Materie – also all dem, was wir sehen können. Es sind gerade einmal fünf Prozent.
Die restlichen 95 Prozent bestehen aus dunkler Materie und dunkler Energie, von denen kein Mensch so wirklich weiss, was sie sind und woraus sie bestehen. «Dunkel» werden sie genannt, weil man sie nicht sehen kann, und das macht es schwierig.
Dass es sie überhaupt gibt, wissen Forschende nur deshalb, weil sich die Wirkung ihre Gravitationskraft messen lässt. Was auch bekannt ist: Dunkle Energie und dunkle Materie sind wesentlich an der Entstehung und der Struktur unseres Universums beteiligt.
Anfang Juli wird nun ein Weltraum-Teleskop ins All geschickt, damit es ein wenig Licht ins Dunkel bringen soll. Euclid heisst es und wird in direkter Nachbarschaft des berühmten James-Webb-Teleskops weit hinaus in den Weltraum blicken – und weit hinaus in den Raum heisst auch weit zurück in der Zeit, «bis ungefähr in eine Vergangenheit von zehn Milliarden Jahren, als das Universum etwa ein Drittel der Grösse hatte, die es heute hat», sagt Physiker Martin Kunz von der Uni Genf, der derzeit die Schweiz beim Euclid-Projekt der europäischen Weltraumagentur Esa vertritt.
Die Mission
Seit dem Urknall vor rund 14 Milliarden Jahren dehnt sich das Universum aus und treibt die Galaxien dabei auseinander wie Rosinen in einem aufgehenden Hefeteig. Seit ungefähr fünf Milliarden Jahren jedoch wird diese Ausdehnung immer schneller, obwohl sie sich doch eigentlich durch die Gravitationskraft der Materie verlangsamen müsste. Um diesen rätselhaften Vorgang zu erklären, hat die Physik die dunkle Energie eingeführt.
Das Euclid-Teleskop soll nun Fotos von den Rosinen – beziehungsweise Galaxien – machen, von der Zeit bevor sich die Ausdehnung beschleunigte bis heute. «Die Hoffnung ist, dass wir dann kleine Hinweise finden können, die uns mehr darüber verraten, was dunkle Materie und dunkle Energie sind», so Kunz.
In einem Punkt ist die Hoffnung besonders gross – und hier kommt Albert Einstein ins Spiel: Der Physiker hat in seiner allgemeinen Relativitätstheorie eine berühmte Gleichung aufgestellt und darin die sogenannte kosmologische Konstante eingeführt. Diese bildet ziemlich genau das ab, was die Forschung heute von der mysteriösen dunklen Energie weiss.
Der grosse Haken
Einsteins Konstante ist fester Bestandteil des kosmologischen Standardmodells, mit dem die meisten Physikerinnen und Physiker heute die Entstehung des Universums beschreiben. Aber die Sache hat einen Haken, und leider einen ziemlich grossen, so Martin Kunz: «Die Teilchenphysik-Modelle sagen vorher, dass es viel mehr von dieser Art der dunklen Energie geben sollte. Und zwar so viel, dass unser Universum gar nicht existieren könnte.»
Irgendetwas stimmt nicht mit dem kosmologischen Modell. Ist Einsteins Theorie der Gravitation auf den grossen Skalen des Universums überhaupt richtig?
«Das ist eine der grossen Fragen, die das Euclid-Teleskop beantworten soll», sagt Martin Kunz und hofft inständig auf eine positive Antwort: «Wenn wir eine Abweichung von der kosmologischen Konstante finden, könnte das die Fundamente der Physik erschüttern und unser Bild der Welt praktisch umkrempeln.»