Vor knapp einem Monat ist das bisher grösste Weltraumteleskop ins All gestartet. Nach einem 1,5 Millionen Kilometer langen Flug kommt das James-Webb-Teleskop nun an seinem Ziel an: dem Lagrange-Punkt 2.
Fünf Lagrange-Punkte gibt es insgesamt im Sonne-Erde-System. Für die Raumfahrt sind diese Orte besonders spannend, weil sie eine Art Parkplatz für Teleskope und Satelliten sind.
Vorteile der Lagrange-Punkte
«An einem Lagrange-Punkt braucht man nicht viel Treibstoff, um die Mission dort zu halten. Das ist einer der grossen Vorteile», sagt Florian Renk von der europäischen Weltraumagentur ESA.
An den Lagrange-Punkten kreisen Flugobjekte fast ohne eigenen Antrieb um die Sonne. Und egal, wo sie bei ihrer Sonnenumrundung gerade stehen: Ihre Position zur Erde bleibt immer gleich.
Wie das möglich ist, erklärt die Berner Astrophysikerin Susanne Wampfler: «Um einen Körper auf einer Kreisbahn zu halten, braucht es immer eine Kraft. Das sieht man bei den Hammerwerfern, die sich zuerst mit dem Hammer drehen und wenn sie ihn loslassen, fliegt er geradeaus weiter, weil keine Kraft mehr wirkt.»
Wäre das James-Webb-Teleskop irgendwo im All, müsste es, um seine Bahn um die Sonne zu halten, oft viel eigene Energie – oder eben Treibstoff – aufwenden. An den Lagrange-Punkten kombinieren sich die Anziehungskräfte von Sonne und Erde so, dass ein Körper mit kleiner Masse, ein Satellit oder ein Teleskop, sich synchron mit der Erde um die Sonne bewegen kann.
L1 für Sonnenanbeter
Dass das Teleskop am Lagrange-Punkt 2 «parkiert», hat daher den Vorteil, dass wir hier unten auf der Erde trotz der grossen Entfernung gut mit ihm kommunizieren können. Zudem lässt sich das Teleskop an diesem sonnenfernsten Lagrange-Punkt kalt halten. Das ist entscheidend für das einwandfreie Funktionieren des Infrarot-Teleskops, das extrem feine Wärmestrahlung etwa von den frühsten Sternen erkennen soll.
Auch weitere Sternenbeobachtungsmissionen wie das europäische GAIA-Teleskop sind nicht per Zufall hier. Am L2 haben sie Sonne und Erde stets im Rücken und nach vorn einen freien Blick in die Tiefen des Alls.
Andere Vorteile bietet beispielsweise der Lagrange-Punkt L1 auf der gegenüberliegenden, sonnenzugewandten Seite der Erde, so Susanne Wampfler: «Der L1 wird hauptsächlich für Missionen benutzt, die die Sonne studieren, etwa die Genesis-Mission, die den Sonnenwind untersucht hat.»
Orte für spezielle Missionen
Derzeit senden rund ein Dutzend aktive Teleskope und Satelliten von Lagrange-Punkten aus ihre Daten zur Erde. Also sehr wenige im Vergleich zu den über 4000 aktiven Wetter-, Kommunikations- und anderen Satelliten, die um die Erde kreisen.
Das hat einen Grund: Lagrange-Missionen sind um ein Vielfaches weiter weg und entsprechend teuer. Man könne damit auch kein Business machen, sagt Susanne Wampfler von der Universität Bern: «An die Lagrange-Punkte führen Forschungsmissionen, die bringen uns keinen Fernseh- oder Internetempfang, sondern neue Erkenntnisse übers Universum.»
Welche Erkenntnisse uns das James Webb-Teleskop liefert, wird weltweit mit Spannung verfolgt. Erste Daten werden für den Sommer erwartet.