Die USA rühmen sich gern, die älteste Demokratie der Welt zu sein. Doch in diesen Anfängen wurzeln strukturelle Probleme, die die US-Demokratie bis heute bedrohen.
Verfassung als Hypothek
Die US-Verfassung mag 1787 eine gute Idee gewesen sein, hat aber Mängel:
- Gemacht wurde sie ausschliesslich von Männern aus der weissen Oberschicht.
- Diese waren nicht visionär, sondern stabilisierten die damaligen Zustände.
- Das bedeutet auch: Die US-Verfassung ist praktisch nicht reformierbar.
Änderungen an ihr brauchen nämlich die Zustimmung von gleich zwei legislativen Organen (Senat & Repräsentantenhaus) – und danach müssen auch noch drei Viertel aller Bundesstaaten zustimmen.
Frisiertes Wahlsystem
Das Stimmrecht gaben die Gründerväter nur so genannt freien Menschen. Frauen und Sklaven blieben aussen vor.
Wahlen nur von der Bevölkerungsanzahl abhängig zu machen, hätte aber bedeutet, dass der Norden, wo mehr freie Männer lebten, die Südstaaten mit ihren vielen Sklaven stets überstimmt.
Kompromiss: Drei Fünftel der Sklaven zählten zur Bevölkerung eines Staats.
Ergebnis: Der Süden bekam eine höhere Anzahl Repräsentanten im Kongress, um seine Interessen zu verteidigen.
Veraltetes Wahlprozedere
Die USA sind das einzige Land der Welt, wo gemessen an Wählerstimmen der Wahlverlierer Präsident werden kann – wegen eines historischen Relikts:
- Seit 1787 stellt jeder Bundesstaat bei der Präsidentschaftswahl eine von seiner Abgeordnetenzahl im Kongress abhängige Anzahl Wahlmänner.
Weil die Staaten dem Winner-takes-it-all-Prinzip folgen, werden dem Kandidaten mit mehr Wählerstimmen gleich alle Wahlmänner-Stimmen zugesprochen.
In diesem Jahrhundert waren mit George W. Bush und Donald Trump bereits zwei Volksabstimmungs-Verlierer Präsident.
2016 holte Hillary Clinton drei Millionen Wählerstimmen mehr als Trump, aber klar weniger Wahlmänner-Stimmen (227:304).
Trump bekam 80'000 Stimmen mehr in drei wichtigen Swing States. Durch das Winner-Takes-It-All-Prinzip entschied dieser kleine Unterschied die Wahl.
Senat bringt Ungleichgewicht
Kalifornien (39 Mio. Einwohner) hat genau so zwei Senatoren wie North Dakota (0.8 Mio.).
- Folge: Demokraten und Republikaner sind mit fast gleich vielen Senatoren im Senat vertreten.
- Aber: Die demokratischen Senatoren vertreten 51 Mio. mehr Wähler.
Weil jeder Gesetzentwurf zuerst die Zustimmung des Repräsentantenhauses, dann des Senats und schliesslich des Präsidenten braucht, wirkt der Senat wie ein Flaschenhals für alle Regierungspläne.
Bevölkerungsarme Staaten erreichen ausserdem im Verbund schnell die für das Blockieren von Vorlagen notwendigen 41 Senatoren-Stimmen.
Übermächtiger Supreme Court
In den USA hat das Oberste Gericht im Gegensatz zu den meisten Ländern die Macht, Gesetze des Parlaments und des Premierministers für verfassungswidrig zu erklären.
So droht die Gefahr, dass Gesetze gekippt werden, nicht weil sie verfassungswidrig sind, sondern weil sie der politischen Mehrheit im Gericht missfallen.
Denn: Die Richter des Supreme Court werden vom Präsidenten nominiert und vom Senat bestätigt.
Mehr als nur ein Stein am Bein
Der Dokumentarfilm «USA: Demokratie unter Beschuss» belegt: Die strukturelle Erblast gefährdet die US-Demokratie in vielerlei Hinsicht.