Wir würden sie «Büezer» nennen: Fabrik- und Industriearbeiter ohne Hochschulabschluss. Ihre Stimmen waren entscheidend, dass Donald Trump 2016 US-Präsident wurde, denn traditionell stehen sie den Demokraten nahe. Doch wer bekommt dieses Jahr die Unterstützung der weissen Blue-Collar-Arbeiter?
Hier im Erie County, Pennsylvania, sind sie die letzte Bastion der aussterbenden Schwerindustrie: die Lokomotiven und die, die sie bauen. Auf dem gigantischen Areal der Firma Wabtec, früher General Electric, entstehen Triebfahrzeuge für den Güter- und Personenverkehr. Die Identifikation mit der Arbeit sei ausgeprägt, sagt Scott Slawson. «Ich vertrete Blue-Collar-Arbeiter, die in den USA Lokomotiven bauen, und bin stolz darauf.»
Slawson ist Gewerkschaftspräsident der Angestellten von Wabtec und in Erie aufgewachsen. Er weiss, was «blue collar» heisst, denn früher hat er als Schweisser selbst Hand angelegt. Die Leute in Erie würden für diese Arbeit geboren, sagt er und schmunzelt. Es stecke ihnen schlicht in den Genen, Dinge herzustellen.
Über Jahrzehnte sah es so aus, als stecke es auch in ihren Genen, demokratisch zu wählen – bis 2016, als viele von ihnen dazu beitrugen, dass Trump Präsident wurde.
Die demokratische Partei habe es zu lange für selbstverständlich gehalten, dass die Blue-Collar-Arbeiter ihr die Stimme geben, sagt Slawson. Diese hätten es schon lange sattgehabt, dass sich an ihrer misslichen Lage nichts verbessert habe. Es verschwanden immer mehr Jobs, auch bei Wabtec: 20'000 waren es einst, heute sind es noch rund 2500.
Trump versprach, die alten Jobs zurückzubringen und dass wir mehr Lokomotiven bauen würden – nichts davon ist passiert.
Als sich die demokratische Partei für Hillary Clinton als Kandidatin entschied, sei für viele endgültig klar gewesen, dass sie nicht noch einmal das Establishment wählen, das nur redet und nichts tut.
Näher beim Selbstbild
Zudem sei Trump schlicht anders gewesen als alle Kandidatinnen und Kandidaten zuvor. Vielleicht auch näher beim Selbstbild der Blue-Collar-Arbeiter – in der Sprache und im Auftreten? «Ja», sagt Robert Speel, der in Erie zu Politik forscht.
Trump gebe sich hart und das stosse in dieser Wählergruppe auf Resonanz – vor allem bei Männern. Speel hält es für eine plausible Erklärung, dass gerade jene, die keinen Industriejob wie früher mehr finden oder weniger verdienen, sich in ihrer Männlichkeit verletzt fühlen. Und Gefallen daran finden, wenn einer sagt, er wolle es dem Establishment zeigen. Das wollten sie schliesslich auch.
Wie steht es um die Sympathien der Arbeiter?
Aber ist das auch 2024 noch so? Wie steht es heute um die Sympathien unter den Blue-Collar-Arbeitern? Er höre in seiner Gewerkschaft von den einen, dass Trump wegen der Pandemie keine faire Chance bekommen habe oder dass die demokratische Regierung schuld an der Inflation sei, sagt Gewerkschafter Slawson. Aber viele andere seien sich bewusst, dass Trump seine Versprechen von 2016 nicht gehalten habe. «Trump versprach, die alten Jobs zurückzubringen und dass wir mehr Lokomotiven bauen würden – nichts davon ist passiert», sagt Slawson.
Doch können sich seine weissen Blue-Collar-Arbeiter von einer schwarzen, progressiven Kalifornierin repräsentiert fühlen? Slawson hält es für möglich. Er verrät zum Schluss des Gesprächs, er habe von mehr Leuten gehört, die nach 2016 und 2020 nun nicht mehr Trump wählen wollen als umgekehrt. Aber vielleicht ist das auch nur der Wunsch eines altgedienten, gewerkschaftstreuen Blue-Collar-Arbeiters.