Bei US-Präsidentschaftswahlen gibt es einen «Gendergap», der sich schon vor Jahrzehnten geöffnet hat. 2020 zum Beispiel holte Joe Biden eine deutliche Mehrheit der Frauenstimmen, Donald Trump eine Mehrheit der Männerstimmen. Und es kann als fast sicher gelten, dass auch Kamala Harris eine Frauenmehrheit erreichen wird.
Bemerkenswert ist, was eine Umfrage der «New York Times» zutage förderte: Fast sieben von zehn Frauen aus der «Generation Z» würden Harris unterstützen. Die Zahl passt zu den Erkenntnissen von Lydia Saad, die in den USA die Sozialforschung des Meinungsforschungsinstituts «Gallup» leitet. «Die 18- bis 29-jährigen Frauen stehen viel weiter links als junge Frauen vor zehn oder 20 Jahren», sagt Saad. Alle Frauen seien nach links gerutscht, aber junge Frauen würden herausstechen.
Ein Linksrutsch in den «Trump-Jahren»
Gemäss Gallup hat der Linksrutsch vor etwa acht Jahren begonnen. Verschiedene Ereignisse dürften eine Rolle gespielt haben: 2016 etwa die Niederlage von Hillary Clinton oder die #metoo-Bewegung gegen sexuelle Belästigung.
Junge Frauen mussten zudem feststellen, dass Rechte, die jahrzehntelang galten, wieder weggenommen werden können – als der Oberste Gerichtshof das Recht auf Abtreibung kippte. Dass mit Kamala Harris erst zum zweiten Mal eine Frau als Präsidentschaftskandidatin einer grossen US-Partei antritt, dürfte junge Frauen dieses Jahr zusätzlich motivieren.
Trumps Anziehungskraft auf junge Männer
Junge männliche Wähler hingegen scheinen in viel grösserer Zahl für Donald Trump stimmen zu wollen. Es gebe den gezielten Versuch, junge Männer, vor allem weisse, aber auch dunkelhäutige, nach rechts zu ziehen, sagt Kelly Dittmar, Politologin an der «Rutgers University».
Die Betonung einer traditionellen Männlichkeit ist im republikanischen Wahlkampf unübersehbar. Diesen Sommer, am Parteitag in Milwaukee, trat etwa der ehemalige Wrestler Hulk Hogan auf die Bühne und erklärte mit martialischer Sprache, Donald Trump sei «der härteste Kerl von allen».
Ob diese Appelle nun wirken oder nicht, junge Männer scheinen sich in den USA abgehängt vorzukommen. Sie haben deutlich seltener einen Hochschulabschluss als Frauen, und sie gelten als Bevölkerungsgruppe, die besonders stark von Einsamkeit betroffen ist. 2021 war die Suizidrate bei Männern viermal höher als bei Frauen.
Gleichzeitig hätten die USA bei der Gleichberechtigung von Minderheiten und von Frauen Fortschritte gemacht, sagt Politologin Dittmar: «Vor Donald Trump hatten wir acht Jahre lang unseren ersten schwarzen Präsidenten, wir hatten die erste Frau, die als Präsidentschaftskandidatin von einer grossen Partei nominiert wurde.» Trump habe das nutzen können, um jene anzusprechen, die ihre Privilegien bedroht sehen würden: «Vor allem weisse Männer, die glauben, andere erhielten eine Sonderbehandlung.»
Der «Gendergap» und die Wahl von 2024
Es wird sich zeigen, wie tief der Geschlechtergraben bei dieser Präsidentschaftswahl sein wird. Bei den jungen Wählenden wird er enorm sein, das zumindest besagen die Umfragen. Es fragt sich, welchen Einfluss das auf den Ausgang der Wahl haben wird. «Frauen sind in der Überzahl, und ihre Wahlbeteiligung ist höher als jene der Männer, und zwar schon seit spätestens 1980», sagt Politologin Dittmar. Vielleicht ist eine hohe Wahlbeteiligung der Frauen ausschlaggebend. Doch das ist Spekulation.