Darum geht es: Junge Frauen stehen politisch tendenziell links, junge Männer eher rechts. Das zeigt eine neue Studie aus den USA, die in den letzten sechs Jahren eine vermehrte Polarisierung weltweit konstatiert. Das Phänomen sei in allen Wohlstandsländern zu beobachten, wobei die Ursachen noch nicht restlos geklärt seien, sagt Soziologin Katja Rost von der Universität Zürich.
Die andere Agenda: Rost erklärt sich das vermehrte politische Auseinanderdriften der Geschlechter in der betreffenden Altersgruppe unter anderem damit, dass sich die Geschlechterstereotypen wieder verfestigen: Diese besagen, dass Frauen eher sozialere Themen bevorzugen, die typischerweise von linken Parteien gepflegt werden. Dazu gehören auch Emanzipations- und Gleichstellungsanliegen sowie «MeToo». Männer dagegen fühlen sich eher von Themen aus Wirtschaft und Technik angesprochen, was sich ebenso in der politischen Meinungsbildung niederschlägt.
Polarisierung trotz mehr Gleichstellung: Laut Rost wäre eigentlich zu erwarten gewesen, dass sich Frauen und Männer dank Fortschritten bei der Gleichstellung ähnlicher werden. Doch genau das Gegenteil sei der Fall, mit unterschiedlichen Ursachen: Sei es, dass viele Frauen ihre Anliegen noch nicht verwirklicht sehen und entsprechend stärker politisieren. Sei es, dass Männer geltend machen, es sei jetzt genügend getan bei der Gleichstellung und sie seien jetzt selbst wieder einmal an der Reihe. Gerade bei jungen Männern sei häufig eine solche Gegenreaktion zu beobachten, auch weil sie sich ausgeschlossen, diskriminiert oder unverstanden fühlten, so Rost.
Die älteren Generationen: Bei den älteren Generationen sind die politischen Unterschiede zwischen Mann und Frau kleiner. Die Geschlechter gleichen sich im Alter politisch verstärkt an. Das liegt laut Rost auch am vermehrten zwischengeschlechtlichen Kontakt. Die Einflüsse der oft gleichgeschlechtlichen Peer Group aus jüngeren Jahren nehmen ab oder fallen weg. Wer in Partnerschaften und Familie lebt, hat andere Identifikationsgruppen. Und schliesslich sei es auch das gute Recht der Jugend, revolutionärere Positionen zu vertreten, merkt Rost an.