Ein Feldherr verliert seine Familie, wird versklavt und muss fortan in der Arena ums nackte Überleben kämpfen. So simpel die Handlung von «Gladiator» war, so perfekt war sie auf ihren ultramaskulinen Hauptdarsteller zugeschnitten.
Russell Crowe brillierte anno 2000 als rigoroser Mann der Tat, der sich weder auf der Leinwand noch auf dem Set verbiegen liess. Da er das Skript für «puren Müll» hielt, gestaltete er vieles um, ohne Regisseur Ridley Scott vor den Kopf zu stossen.
Letzterer muss bei «Gladiator II» ohne den Oscarpreisträger aus Down Under auskommen. In der Fortsetzung der römischen Rachesaga spielt Paul Mescal dessen unehelichen Sohn Lucius. Eine Figur, die schon im ersten Teil vorkam, dort aber noch nicht wusste, dass Titelheld Maximus sein Papa ist. Ganz einfach, weil dessen Vaterschaft erst in Stein gemeisselt wurde, nachdem Hollywood das Go für einen «Gladiator»-Nachfolger gegeben hatte.
Affen in der Arena und auf dem Thron
Da sogar in Rom nur ganz wenige um Lucius' edle Herkunft wissen, ereilt ihn dasselbe Schicksal wie seinem Vater: Er landet als Sklave in der Arena. Dort macht er sich als «afrikanischer Barbar» einen Namen, indem er einem bissigen Riesenpavian die Zähne zeigt. Mehr noch: Er setzt diese animalisch ein und bohrt sich tief ins Fleisch des offensichtlich am Computer kreierten Geschöpfs.
Ridley Scott liess verlauten, dass er schon im ersten Teil gerne den Computer gebraucht hätte, um die wilden Tiere zu animieren. Die Technik sei damals aber noch nicht so weit gewesen. Mit Blick auf die CGI-Paviane, welche eher an Zombies als an reale Affen erinnern, muss man sagen: Gott sei Dank! Doch nicht nur wegen diesen wirkt «Gladiator II» im Vergleich zu seinem geerdeten Vorgänger wie ein affiger Zirkus.
Fast das Dreifache soll Teil zwei gekostet haben. Dass mehr nicht immer mehr ist, beweisen auch die überkandidelten Zwillinge auf dem Thron. Obwohl Joseph Quinn und Fred Hechinger viel dicker auftragen als es damals Joaquin Phoenix als Despot Commodus tat, verbreiten sie nicht ansatzweise so viel Schrecken. Dass der jüngere der beiden Co-Kaiser schliesslich sogar ein Äffchen zum Senator macht, passt ins Bild: Sich an Roms Dekadenz weidend, macht «Gladiator II» die Kurie zum Tollhaus.
Brutaler und künstlicher
Historisch akkurat war «Gladiator» noch nie. Doch anders als das Original macht die blutige Fortsetzung überdeutlich, dass dieses Rom ein reines Fantasiekonstrukt ist. Statt «Brot und Spiele» scheint hier «Spektakel um jeden Preis» die Maxime gewesen zu sein.
Ja, Wasserschlachten – sogenannte Naumachien – gab es im Kolosseum tatsächlich. Aber definitiv nicht mit lauernden Haien. Auch die Präsenz eines Nashorns ist verbürgt. Wer allerdings glaubt, dass sich dieses wie im Film reiten liess, verbringt zu viel Zeit mit Fantasy-Games.
Cäsarischer Altmeister
Das Beste an «Gladiator II» ist Denzel Washington, der dem Emporkömmling Macrinus ein perverses Charisma verleiht. Die wenigen weiblichen Figuren existieren dagegen nur aus dramaturgischen Gründen: Sie sterben in Schönheit, um den Racheplot anzufeuern.
«Man muss selbst sein schärfster Kritiker sein», meint Regielegende Ridley Scott im Video-Interview, um kurz darauf das Gegenteil zu beweisen. Kein einziger seiner Filme sei für den fast 87-Jährigen «bloss nett», geschweige denn «medioker». So cäsarisch wie dieses Verdikt ist nicht mal sein jüngstes Sandalenepos.
Kinostart: 14.11.2024