Corona zum Trotz: Das Bundesamt für Kultur vergibt den Schweizer Filmpreis. Vorerst nur in Form einer nüchternen Medienmitteilung: Die Preisübergabe soll dann im August am Filmfestival Locarno nachgeholt werden.
Als Favorit ins Rennen gegangen war «Le milieu de l‘horizon» von Delphine Lehericey mit vier Nominierungen. Das Verdikt: Bester Spielfilm und bestes Drehbuch.
Die Geschichte um einen pubertierenden Jungen, dessen Mutter sich in der Sommerhitze zu einer anderen Frau hingezogen fühlt, war in der Romandie mit über 10‘000 Kinoeintritten ein Erfolg. In der deutschsprachigen Schweiz blieb das Interesse hingegen gering.
Intimes Kino siegt
Den Preis für den besten Dokumentarfilm erhält – bereits zum zweiten Mal – die Baslerin Fanny Bräuning, die in «Immer und ewig» ihre aussergewöhnlichen Eltern porträtiert.
Den ebenfalls intimen Film haben schweizweit mehr als 12‘000 Menschen im Kino gesehen haben. Auch der dazugehörige Soundtrack der Neuenburgerin Olivia Pedroli wurde prämiert.
Der Schauspieler Sven Schelker erhält den Schweizer Filmpreis ebenfalls bereits zum zweiten Mal: jetzt für die Hauptrolle im Publikumserfolg «Bruno Manser – Die Stimme des Regenwaldes».
Die im gesamten deutschsprachigen Raum bekannte Miriam Stein («Moskau einfach») wird als beste Darstellerin geehrt.
Ohne «Platzspitzbaby»
Das sind die nackten Fakten. Die aufwändige Show dazu entfällt. Es gibt nur Namen und Titel. Aber immerhin fällt eines auf: Es wurden mehr Frauen als Männer prämiert.
Trotzdem: So richtig knackiges Schlagzeilenmaterial, wie es etwa die Césars in Frankreich gern liefern, enthält diese Liste nicht. Viel medialen Wirbel hat der Schweizer Filmpreis auch früher, in seinen festlichsten Jahrgängen, kaum hinbekommen: Menschen ausserhalb der Branche, die nicht überdurchschnittlich am Schweizer Filmschaffen interessiert sind, spricht diese Preisverleihung zu wenig an.
Der Produzent des diesjährigen Schweizer Kassenschlagers «Platzspitzbaby» etwa hat seinen Film heuer gar nicht erst eingereicht: Aus seiner Sicht behandelt die zuständige Filmakademie erfolgreiche Publikumsfilme zu stiefmütterlich.
Eine Chance?
Dieser Vorwurf stammt freilich noch aus der Zeit vor dem Lockdown, als man sich für den Schweizer Filmpreis noch in Schale schmiss und die Aufmerksamkeit der Masse suchte: Die teils überschaubare Breitenwirkung der prämierten Werke stand nicht immer im Einklang mit dem mondänen Auftritt.
Jetzt steht alles still, und das ist vielleicht sogar eine Chance für den Schweizer Filmpreis. Er kann seine Auszeichnungen momentan nicht mit Glamour übertünchen – daher wirkt es auch weniger befremdlich, wenn etliche der verteilten Trophäen an wertvolle, aber nischige Arthouse-Produktionen verteilt werden.
Gutes tun
In seiner heutigen Notfallversion macht der Schweizer Filmpreis aber zwei Dinge genau richtig: Er verteilt Preisgelder in einer Branche, die zurzeit jeden Rappen und jede Form von Anerkennung brauchen kann.
Und in unsere Wohnzimmer gibt diese Preisliste ohne feierliches Drumrum absolut valable Streaming-Empfehlungen ab: «Immer und ewig» ist bereits auf mehreren Schweizer Plattformen erhältlich. «Le milieu de l‘horizon» folgt im Mai – aufgrund des Gewinns und der Ausnahmesituation vielleicht sogar schon früher.