Wenn traditionelle Vereine heute Mühe haben, Menschen zu finden, die sich in Freiwilligenarbeit engagieren wollen oder können, dann liege das unter anderem an «Megatrends», die in der ganzen Gesellschaft wirken. Diese Megatrends seien Individualisierung, Mobilisierung, Flexibilisierung und Digitalisierung, sagt Fanny Dahinden.
Dahinden ist Fachstellenleiterin von «Vitamin B», der Fachstelle für Vereine. Die berät das ganze Vereinsspektrum: von Sportvereinen bis hin zu sozial karitativen Organisationen.
Bei «Vitamin B» laufen die Fragestellungen auf, mit denen sich ehrenamtliche Vorstände beschäftigen. Das kann Grundsätzliches sein, etwa: «Wie gehen wir mit dem Werte- und gesellschaftlichen Wandel um?» Oder pragmatisch Alltägliches, wie etwa bei Vereinsgründungen: «Stimmen unsere Statuten?» oder «Wie lädt man zu einer Mitgliederversammlung ein?»
«Megatrends» fordern Vereine heraus
Viele Menschen fragen sich, ob ihre Lebensplanung Freiwilligenarbeit überhaupt zulasse und was sie mit freiwilligem Engagement bewirken können. Je nach Lebensabschnitt und je nach Vereinszweck sind die Ergebnisse sehr unterschiedlich, wie der Freiwilligen-Monitor zeigt.
Wenn jemand zudem oft umziehen muss, zum Beispiel wegen des Jobs, fragt sich die Person, wozu sie sich in einem Verein engagieren soll, um schnell in einer Dorfgemeinschaft anzukommen, die sie bald wieder verlassen wird.
Aber auch unter den Menschen, die länger an einem Ort wohnen, können sich viele nicht für ein längerfristiges, regelmässiges Engagement verpflichten. Ein Grund: Sie arbeiten projektbezogen – phasenweise und erfahrungsgemäss überlastet. Bleibt da nur noch die Digitalisierung, der traditionelle Vereine oft auch hinterherhinken.
Menschen wollen sich kurzfristiger engagieren. Es gibt mehr Fluktuation und auch Vereinsarbeit wird als Projekt in Phasen begriffen. Vereinsarbeit muss flexibel einteilbar sein. Gelingt das einem Verein, sind mehr Menschen bereit, mitzutun. Wenn man etwa sagt, «ihr organisiert das Sommerfest»: Das ist überschaubar und terminiert.
Dazu gehört es dann auch, dass sich nicht mehr alle in einem Organisationskomitee vor Ort treffen müssen, sondern in Videokonferenzen arbeiten können. Das kostet weniger Zeit, ist aber nicht bei allen gern gesehen. Da ist Verständigungsarbeit der Vorstände gefordert. «Überall wo Menschen sind, menschelt es», sagt Dahinden.
Antwort auf Digitalisierung
Seit der «Corona-Zeit» sei die Akzeptanz für die Digitalisierung gestiegen. So haben auch Online-Sitzungen im Vereinswesen Einzug gehalten, meint Dahinden. Wo anfangs nur die Webaffinen wenig Berührungsängste hatten, kommen auch andere auf den Geschmack. Eine Whatsapp-Gruppe kann ihren Reiz haben, Nachrichten erreichen schnell die ganze Arbeitsgruppe.
Da tun sich Möglichkeiten auf, sagt Dahinden: «Wenn ein Verein zum Beispiel eine grössere Webpräsenz erzielen will durch Social Media», könne der Vorstand dies gut «an Jüngere delegieren, deren Fachkenntnis in diesem Bereich hoch ist». Das entlaste den Vorstand. Es sei dazu aber notwendig, den Jungen «Rahmenbedingungen und klare Kommunikationsrichtlinien zu geben, in denen sie frei gestalten können». Gestaltungsspielraum ist wichtig, gerade für Jüngere.
Vereinsarbeit aufteilen
Arbeiten im Verein können die Mitglieder auch aufteilen: «Zum Beispiel muss niemand eine Serie von Social-Media-Aktivitäten über einen grösseren Zeitraum allein erledigen», sagt Dahinden. Das hiesse: Mehrere könnten sich untereinander organisieren. Dadurch stiege die Wahrscheinlichkeit, auch Studierende zu erreichen, die in Prüfungsphasen überlastet sind.
Eine andere Möglichkeit sind Fusionen: Dahinden bringt als Beispiel Frauen- und Männerturnvereine, da gehen gerade viele verstärkt zusammen: «Statt dass man in jedem Verein sieben Vorstandsmitglieder hat und niemanden findet, der die Nachfolge antritt, tut man sich zusammen und hat nur noch ein Gremium.»
Vereine bilden die grossen gesellschaftlichen Strömungen im Kleinen ab. In ihnen wird Demokratie geübt. Viele Personen entdecken bei einem Verein, was es heisst, sich für eine Gemeinschaft zu engagieren, Kompromisse zu machen, um Lösungen zu finden. Sie entdecken, was es heisst, als Person wirksam zu werden.
Manche finden in der Freiwilligenarbeit einen Sinn. Manchen gibt das ein gutes Gefühl. Wieder andere entdecken die Politik für sich, oder sie finden gute Freunde. Ein Verein kann mehr sein als ein Verein.