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Glosse zum Jahreswechsel Trump, ESC und Fussball-EM: Was kommt da 2025 auf uns zu?

Bald wird angestossen auf ein gutes, neues Jahr. Wenn unsere Gläser zu Mitternacht klirrend aufeinandertreffen, wünschen wir einander viel Glück und hoffen das Beste. Wagen wir einen satirischen Blick über den Tellerrand Silvesters, wo 2025 bereits verheissungsvoll glitzert.

Lisa Christ

Kabarettistin

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Es gibt kaum eine andere satirische Stimme in der Schweiz, die sich so selbstreflektiert in Rage reden kann wie Lisa Christ. Die Oltner Kabarettistin, Satirikerin und Moderatorin kann dabei philosophisch-ernst, aber auch wortgewandt-verspielt sein. Sie war Host der «SRF Comedy Talent Show» und tourt aktuell mit ihrem zweiten Soloprogramm «LOVE*» durch die Deutschschweiz.

Für die meisten wird der erste Tag des Jahres im besten Fall übernächtigt, im blödesten Fall verkatert beginnen. Zeit, sich auf die eigenen Vorsätze zu konzentrieren.

Ich prophezeie Anfang 2025 einen sprunghaften Anstieg an Fitness-Mitgliedschaften, wie es ihn jedes Jahr gibt. Nie sind die Gesichter auf den Crosstrainern, Laufbändern und Standvelos so wild entschlossen wie in den ersten drei Januarwochen. Da strampeln und laufen sie, keuchen und schwitzen und krampfen sich ab und schauen dabei die News auf einem der vielen Bildschirme im Raum. Laut Erfahrungswerten nimmt der Fitness-Hype jedoch spätestens nach einem Monat wieder ab.

Ich sehe schon etliche Fitnessmäuse, die resigniert auf dem Laufband stehen bleiben und sich freiwillig abwerfen lassen.

Für 2025 könnten frühzeitige Kapitulationen bereits am 20. Januar provoziert werden, durch ein weltpolitisch demoralisierendes Grossereignis: Wenn in den Vereinigten Staaten der alte neue Präsident sein Amt antritt und etliche, teils menschenfeindliche Dekrete erlässt, könnte einem das gehörig die Motivation verpfuschen. Ich sehe schon etliche Fitnessmäuse, die resigniert auf dem Laufband stehen bleiben und sich freiwillig abwerfen lassen.

Stilisierte Silhouette eines Anzugs tragenden Mannes vor rotem Hintergrund.
Legende: Er ist zurück: 2025 tritt Donald Trump seine zweite Amtszeit als Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika an. Colourbox

Vor Donald Trump wird es in den nächsten vier Jahren leider auch ausserhalb von Fitnesscentern kein Entkommen geben. Die Trumpsche Präsidentschaft 2.0 wird dieses Mal inklusiv grössenwahnsinnigem Tech-Milliardär installiert. Ein Update zum Gruseln. Bereits ab Januar wird uns das orange Gesicht wieder überallhin verfolgen. Dabei ist doch erst im Herbst wieder Halloween.

Apropos Halloween: Nicht alles, was in den USA getan wird, muss auch zwingend bei uns übernommen werden. Das mit dem Abtreibungsverbot, den Anti-Antidiskriminierungsgesetzen und den Mauern zu unseren Nachbarländern lassen wir bitte bleiben. Mit Mauern hat die «Festung Europa» schliesslich schon genug Erfahrung.

2025 werde ich zum ersten Mal darauf hoffen, dass ein alter, weisser Heteromann gegen eine jüngere, lesbische Frau gewinnt.

Allen voran Deutschland. Dort wird am 23. Februar übrigens entschieden, wer neuer Bundeskanzler oder neue Bundeskanzlerin wird. Um bei den dystopischen Aussichten zu bleiben: Es könnte Alice Weidel treffen! 2025 werde ich also zum ersten Mal darauf hoffen, dass ein alter, weisser Heteromann gegen eine jüngere, lesbische Frau gewinnt. Immerhin stehen die Chancen dafür nicht sonderlich schlecht.

Garantiert ist allerdings nichts. Ausser, dass es sicherlich ein Spektakel wird, vielleicht in mehreren Wahlgängen. Ich werde derweil die Biografie von Angela Merkel lesen und mir eine Zeit zurückwünschen, in der der Satz «Wir schaffen das» das Kontroverseste war, was eine Kanzlerin je gesagt hat.

Illustration des Reichstagsgebäudes mit rosa Hintergrund.
Legende: Scholz, Merz, Weidel, Habeck oder Wagenknecht: Wer wird 2025 Kanzler oder Kanzlerin unserer Nachbarn? Colourbox

Aber kommen wir nun weg von den düsteren Szenarien. Das neue Jahr wird bestimmt auch einige schöne Momente bereithalten! Vielleicht fahren Sie, wie ich, zum ersten Mal seit Ewigkeiten in die Winterferien. Eine ganze Woche lang werde ich langlaufen und wellnessen.

Perfekt, um mich von den Strapazen des ersten Abstimmungssonntags zu erholen, den wir hierzulande am 9. Februar begehen werden. Merken Sie sich am besten schonmal alle Abstimmungssonntage vor, damit Sie auch ja den Fötzel rechtzeitig einschmeissen können: 18. Mai, 28. September und 30. November. Mein Vorsatz lautet übrigens: Organisierter werden.

Das muss ich, weil spätestens im Mai bei mir beruflich einiges passieren wird: Die Preisverleihung des Salzburger Stiers in Gütersloh steht an, genauso wie die Veröffentlichung eines Buchs. Ebenfalls im Mai findet in Basel der Eurovision Song Contest statt. Das Motto lautet: «United by Music» – Verbunden durch die Musik. Musikfans aus ganz Europa, Queers und sogar die EDU, deren Referendum gegen den «woken, blasphemischen» Grossanlass abgeschmettert wurde, finden hier harmonisch zusammen. Vereint zu einer einzigen, grossen Familie.

Wenn sich zehntausende Fans innerhalb einer Woche gemeinsam die Lampe füllen, in der St. Jakobshalle zu Popsongs umherhüpfen und dabei grölend ihre Landesfahnen schwingen, dann wird ganz sicher niemand mehr an den russischen Angriffskrieg in der Ukraine oder an den Nahostkonflikt denken. Frieden und Einheit durch Musik!

Der ESC ist schliesslich eine total unpolitische Veranstaltung und die Schweiz ein absolut neutrales Land, in dem man einander immer respektvoll zuhört – das zeigt der Werbeclip des ESC ganz deutlich.

Ob ich mir eines der Tickets, die zwischen 40 und 350 Franken kosten, leisten werde, weiss ich noch nicht. Eingetragen aber habe ich mir die Daten, denn «gwundrig» bin ich schon. Seit dem Sieg von Céline Dion sind schliesslich ganze 36 Jahre vergangen, und wer weiss, wann die Schweiz das nächste Mal jemanden im Format von Nemo hervorbringt.

Die gesellschaftliche Umwälzung von Machtverhältnissen im Patriarchat wird auch im kommenden Jahr weitergehen.

Im Sommer werde ich auch kommendes Jahr in voller Absicht die meisten Schweizer Festivals und Grossevents verpassen. Ich werde die heissen Monate schreibend in Berlin verbringen. Schliesslich steht im Oktober die Premiere meines dritten Kabarettprogramms an.

Dass ich deswegen vermutlich auch die Fussball-EM der Frauen in der Schweiz versäume, wurmt mich sehr. Denn obwohl ich mich nicht sonderlich für Fussball interessiere, interessiere ich mich doch durchaus für Frauen. Die EM wäre da die optimale Einstiegsgelegenheit für ein neues Fantum.

Abstrakte Silhouette einer Person mit welligem Haar.
Legende: 2025 wird weiblich: Das sagt zumindest die Astrologie, denn 2025 wird das Venusjahr. SRF

Apropos Frauen: Astrologisch gesehen steht das Jahr 2025 im Zeichen der Venus und damit im Zeichen der weiblichen Kraft. Ich interpretiere das dahingehend, dass die gesellschaftliche Umwälzung von Machtverhältnissen im Patriarchat auch im kommenden Jahr weitergehen wird.

Denn «Die Scham muss die Seiten wechseln», wie Gisèle Pelicot so treffend sagte. Dazu passt, dass das Parlament in der Wintersession beschlossen hat, Diskriminierung aufgrund des Geschlechts in der Schweiz künftig unter Strafe zu stellen. Ein Beweis, dass wir es hierzulande wirklich ganz, ganz anders machen als in den Vereinigten Staaten, wo Unterdrückung sogar vom Präsidenten promotet wird. Wir sind eben viel kultivierter.

Ich halte mich daran: Die Hoffnung stirbt zuletzt!

Hier erschiesst trotz stetig steigender Prämien nämlich niemand den CEO einer Krankenkasse. Wir machen lieber die Faust im Sack und verfolgen den Strafprozess gegen Luigi Mangione auf den sozialen Medien. Dieser dürfte, in Anbetracht der bisher generierten Aufmerksamkeit, auch im kommenden Jahr zum medialen Highlight werden.

Im letzten Drittel des Jahres jährt sich schliesslich zum 80. Mal das Kriegsende des Zweiten Weltkriegs. Ein Anlass, zu dem ich mir von Deutschland als Geschenk ein AfD-Verbot wünsche. Das wäre mal ein Update der angenehmen Art. Sofern Alice Weidel dann nicht Bundeskanzlerin ist. Ich halte mich daran: Die Hoffnung stirbt zuletzt!

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen einen guten Rutsch. Auf ein gesundes, entspanntes und doch anregendes und vor allem schönes 2025. Prost!

SRF 1, Tagesschau, 25.12.2024, 19:30 Uhr

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